Künstlerin, Filmemacherin, Komponistin, Sängerin: Yoko Ono hat sich nie auf eine Gattung festlegen lassen. Da verwundert es auch nicht, dass sie mit knapp 80 Jahren ihre erste Modekollektion für Männer herausbrachte.

Yoko Onos Kunst basiert vor allem auf Ideen und auf Anweisungen zu Aktionen. Manchmal wird aus einer Idee ein Gegenstand, manchmal bleibt sie ein Konzept. Eine Idee, die Yoko Ono 1969 hatte, war eine Modekollektion für John Lennon. Sie zeichnete Skizzen und schenkte sie ihm zur Hochzeit: Auf einer Zeichnung ist eine Hose mit einer kreisrunden Auslassung am Po zu sehen, auf einer anderen ein Anorak, auf dem der Umriss eines Hinterns prangt. „Ich bin dazu inspiriert worden, weil mein Mann so großartig aussah. (...) Also kreierte ich diese Skizzen-Serie mit viel Liebe für seinen Körper (...) Er verliebte sich dadurch gleich ein bisschen mehr in mich“, erzählte Yoko Ono der Zeitung „Womans Wear Daily“.

Doch erst 43 Jahre nach der Hochzeit, im Herbst vergangenen Jahres, wurde die Kollektion umgesetzt – in Kooperation mit dem New Yorker Modelabel Opening Ceremony. Die Kollektion trägt den Titel „Fashion for Men: 1969-2012“ und umfasst 18 Entwürfe, von denen jeweils 52 Stück (Yoko Onos Glückszahl) produziert wurden. Dass zwischen der Idee und der Realisation so lange Zeit liegt, ist für Yoko Ono übrigens nichts Ungewöhnliches. Viele ihrer künstlerischen Arbeiten beruhen auf früheren Konzepten. Von einigen Arbeiten fertigt sie sogar immer wieder neue Versionen an.

Auch in ihrer Mode spielt Yoko Ono mit Rollenbildern

Yoko Onos erste Herrenkollektion ist also gewissermaßen die zweite Version der Hochzeitszeichnungen für John Lennon. Die Kollektion ist sexy, gewagt und ziemlich humorvoll. Wie bei vielen ihrer künstlerischen Werke spielt sie auch in ihrer Mode mit den Rollenbildern von Männern und Frauen: Der „Lightbulb Bra“ ist eine Art BH für Männer, an dem in Höhe der Brustwarzen LED-Lampen blinken, das „Bell Board“ sind Klingel-Brüste zum Umschnallen. Bei ihren „Cutout Trousers“, Hosen, deren Netzeinsätze einen freien Blick auf den Po des Trägers erlauben, fühlt man sich unweigerlich an ihren Film „No. 4 (Bottoms)“ erinnert, in dem sie nackte Hintern in den Fokus nahm. Bei anderen Hosen hat sie einen Handabdruck im Schritt platziert. Es gibt aber auch einige alltagstauglichere Entwürfe, wie Kapuzensweatshirts mit dem Schriftzug „Dream“ oder Blazer mit verschiedenfarbigen Ärmeln. Gleichzeitig mit der Kollektion brachte Yoko Ono ein Buch mit den Original-Skizzen heraus.

Skulpturen zum Anziehen

Dass sich Yoko Ono mit fast 80 Jahren noch als Modedesignerin versucht, verwundert nicht. Schließlich wählte sie für ihre Arbeiten stets das Mittel, das ihre Idee am prägnantesten zum Ausdruck brachte. Für sie war (und ist es noch immer) normal, sich zwischen den Gattungen zu bewegen: Sie komponiert, singt, dreht Filme, erschafft Skulpturen, macht Performances und Zeichnungen. Die Mode ist für sie nur ein weiteres Medium, um sich künstlerisch auszudrücken.

Die Arbeit für Opening Ceremony ist zwar Yoko Onos erste eigene Kollektion, aber nicht ihr erster Ausflug in die Modebranche: Für die Frühjahr/Sommerkollektion des Labels treeasFour entwarf sie 2010 Stoffe, die auf ihrer Bilderserie „Franklin Summer“ von 1990 basieren. Die damals 76-jährige sagte in einem Interview mit einem Modemagazin: „Ich war schon immer daran interessiert, Kunst durch Kleider auszudrücken. Ich denke, das ist eine wunderbare Verbindung. Die Stücke sind wie Skulpturen, aber man kann sie anziehen.“ Und wer würde nicht gerne ein echtes Kunstwerk von Yoko Ono am Körper tragen?