Etwas angestaubt, doch immer noch sehr amüsant: 1985 zeigte die Fernsehserie „Kir Royal“, wie Boulevard-Journalismus in der westdeutschen Variante funktionierte.

Das Leben als Klatschreporter ist kein leichtes. Ständig wollen andere bestimmen, über wen man zu berichten und welchen Event man zu besuchen hat. Doch nicht mit Baby Schimmerlos: Der schnauzbärtige Münchener hat seine eigenen Prinzipien -- und die bringt er gerne auf den Punkt. „Wir machen hier eine Serie wo sich Prominente treffen und nicht, wo ich meine Zähne billiger krieg´, wer mein Freund ist oder wen ich gestern gebumst hab!" Und dann, einmal in Rage gegrantelt, erklärt Franz Xaver Kroetz alias Schimmerlos der eingeschüchterten Sekretärin seines Auftraggebers noch einmal klipp und klar, wieso er ist, der er ist: „Wer reinkommt, das bestimm´ ich!"

Dieses Zitat ist zugleich Motto der gesamten Serie wie auch Name der ersten Folge. Schon der Vorspann macht deutlich, was „Kir Royal" sein will: Die Sekt-Kelche klirren, der Schampus fließt in Strömen. Ein süffisantes Pfeifen wird bald von einer schunkelnden Volksmusik-Melodie eingeholt. Und dann die ganzen Rechnungen: In der Käfer-Schänke wurden einige Hundert D-Mark auf den Kopf gehauen, auch im Restaurant Aubergine fielen großzügig Spesen an. Sorgfältig tippt seine Sekretärin Beleg um Beleg in ihre Maschine ein, während Klatschreporter Baby Schimmerlos im Bett sitzend kommentiert. Zum Frühstück in rosafarbener Bettwäsche gibt's Schampus, die Putzfrau entschuldigt sich devot, dass ihre Arbeit den Hausherren 450 Mark im Monat kostet. Eine Kleinigkeit, am Ende bringen es Schimmerlos´ Ausgaben auf exakt 6.374,60 Mark, Trinkgeld exklusive. Kurze Schwenks in seine Wohnung: Ein einziger Traum in Creme, Chrom und Glas -- der ultimative Ausdruck eines mondänen Lebensstils, wie man ihn sich in den 80er-Jahren erträumte.

Der Name, die Charaktere, das Setting, alles in „Kir Royal" ist eine einzige, überzeichnete Persiflage. Doch deshalb nicht ohne realen Hintergrund: Mit seiner ersten TV-Serie, die über insgesamt sechs Folgen ging, schaffte Helmut Dietl den Durchbruch als Regisseur. Die Münchener Schickeria mit ihren oft nur semi-prominenten Protagonisten und die in den 80er-Jahren bedeutende Rolle der Münchener Abendzeitung mit ihrem Star-Reporter Michael Graeter dienten Dietl als Vorbild für „Kir Royal". Der Name leitet sich wiederum vom berühmten Aperitif, dem Mix aus Champagner und Crème de Cassis ab -- ein zur damaligen Zeit beliebtes Getränk, das einen Hauch weite Welt versprach, das inzwischen aber längst keinen Bargast mehr vom Hocker haut.

Doch Dietl wäre nicht Dietl, wenn er nicht auch in der Persiflage selbst ständig Referenzen an die berühmten Vorbilder bringen würde: Die „Käfer-Schänke" aus den ersten Minuten ist damals wie heute ein beliebter Treffpunkt der Münchener Schickeria, zahlreiche Prominente spielen sich gleich selbst. Die Titelmusik schrieb Konstantin Wecker. Und auch das ist typisch München: Ehemalige Fassbinder-Schauspieler und snobistische High Society, Sub- und vermeintliche Hochkultur finden hier schnell zusammen. Die fünfte und vorletzte Folge wurde von Kurt Raab geschrieben, der zuvor längere Zeit mit Rainer Werner Fassbinder zusammengearbeitet und sich später selbst als Regisseur, Drehbuchautor und Ausstatter einen Namen gemacht hatte -- und selbst in Folge 3 einen kleinen Auftritt hat. Für die ersten Folgen holte sich Helmut Dietl den heutigen Bestseller-Autoren Patrick Süskind an seine Seite.

Als der Schampus noch in Strömen floss

Ein wichtiger Aspekt, der die Serie so sympathisch und ihren Protagonisten so interessant macht, ist der fast schon historische Charakter von „Kir Royal": Der Typ Boulevardreporter, wie ihn Persönlichkeiten wie Michael Graeter und heute vielleicht noch Paul Sahner darstellen, ist ein Auslaufmodell. Heute verdienen wohl wenige Klatschjournalisten ähnlich viel wie die Promis, denen sie auf den Fersen sind -- und die Spesen für einen ausschweifenden Lebensstil möchte sich ebenfalls keine Redaktion aufbürden lassen.

„Kir Royal" ist streckenweise schön amüsant, unterbrochen von gepflegter Langeweile. München ist nicht Hollywood. Doch gerade in dieser merkwürdigen Kombination aus Lokalkolorit und mondänem Lifestyle, der sein Vorbild in der damals so populären Figur des Jetsetters -- hier freilich in bajuwarischer Variante, mit festen Wurzeln in „Monaco di Bavaria" -- findet, funktioniert die Serie als gelungener Seismograf westdeutscher Befindlichkeiten der 1980er-Jahre: Träume vom mondänen Leben, die ihre kleinbürgerliche Herkunft niemals verleugnen können. Baby Schimmerlos ist der coole Hund, der mit Verve und Leichtigkeit Existenzen aufbauen oder zerstören darf -- und bei allen Albernheiten doch eine glaubhafte Figur bleibt, kein skrupelloser Fiesling, der allein aus finstersten Motiven handelt. Dabei ist das Ganze herrlich überzogen, auch die Ausflüge ins Allzumenschliche geraten, wie etwa der Anruf bei der armen Mutter, die mit ihrem Papagei in der holzvertäfelten Stube wohnt, zur bewusst klischierten Schmonzette. Ein ewiger Wechsel zwischen Glamour und Tristesse: Nicht immer schafft man es, die BRD mit dem Glanz der großen weiten Welt zu krönen.