In Paris lebt der Niederländer Kees van Dongen im Bateau-Lavoir mit Pablo Picasso, macht sich mit sozialkritischen Illustrationen einen Namen und wird schließlich zum gefeierten „Fauve“.

Stark geschminkte Frauenaugen, farbsatte Hintergründe und immer diese grünlich schimmernde Haut, als ob sich die schummrigen Lichter durchfeierter Nächte in den Gesichtern spiegeln würden: Kees van Dongens Handschrift ist kaum zu verkennen. In seinem „Autoportrait fauve" malt der Künstler sich 1909 mit rotbrauner Haut und blau leuchtenden, zusammengepressten Augen. Als einer der Aufsteiger der Bohème vom Montmartre porträtiert der Niederländer zuerst befreundete Künstler, Tänzerinnen und Prostituierte, später die High Society. Doch seine Karriere beginnt wie die vieler Kollegen: in ärmlichen Verhältnissen und mit Gelegenheitsjobs.

Nach dem Kunststudium in Rotterdam zieht van Dongen für ein paar Monate nach Paris, 1899 kommt er mit seiner späteren Frau Guus Preitinger und sie bleiben. Zeitweise werden sie im Atelier- und Wohnhaus Bateau-Lavoir wohnen, ein heruntergekommenes Gebäude auf dem Montmartre, das um 1900 von verschiedenen Künstlern bezogen wird und als Geburtsstätte der Avantgarde gilt. Pablo Picasso malte hier sein bahnbrechendes Gemälde „Les Demoiselles d'Avignon", die Initialzündung des Kubismus.

Frühe Experimentierfreude

Wie viele andere Pariser Maler experimentiert der Niederländer mit verschiedenen Stilen des Impressionismus und des Post-Impressionismus. Frühe Stadtansichten zeugen von einem forschenden Blick auf die neue Umwelt. Sein Gemälde „Montmartre, Le Sacré-Cœur" von 1904 zeigt die berühmte Kirche über den Dächern des Montmartre im Abendlicht. Unter dem goldschimmernden Himmel ist das ansonsten weiße Bauwerk wie die Straße und ein paar Bäume in dunkle Grün- und Brauntöne getaucht. „Le Carrousel ou place Pigalle" von 1901 zeigt geschäftiges Treiben rund um das Karussell am Place Pigalle, farbige Tupfer formen die Menschenmenge.

1902 malt van Dongen „Buveuse d'absinthe", das Gemälde zeigt eine Frau, die im Absinth-Rausch auf dem Boden sitzt und einen ihr gegenüber liegenden lachenden Totenkopf mit Zylinder anschaut. Es erinnert an die Szenen aus dem Pariser Nachtleben, wie sie etwa in den Gemälden und Plakaten von Henri de Toulouse-Lautrec auftauchen, mit den vom japanischen Holzschnitt inspirierten schwarzen Konturen und farbigen Flächen. Die junge französische Plakatkunst, die van Dongen schon in Rotterdam kennenlernte, hat es ihm angetan.

Vom linken Illustrator zum Society-Maler

Van Dongen betätigt sich in Paris zunehmend als Illustrator, befreundete Künstler und Journalisten vermitteln ihm erste Jobs. Er bewundert die Arbeiten von Théophile-Alexandre Steinlen, der ihm zum Durchbruch verhilft, indem er ihm 1901 die Veröffentlichung von 16 Illustrationen zum Thema Prostitution im anarchistischen Journal „L'Assiette au beurre" vermittelt. Van Dongen begeistert sich für die linksintellektuellen Strömungen seiner Zeit, arbeitet fortan vor allem für linke Zeitungen und Verlage, zeichnet Zeitgeschehen, bannt Straßenszenen mit Bettlern oder Prostituierten auf Papier, direkt und ungeschönt. Mit schwarzer Kreide, Tusche und Aquarellfarben widmet er sich dem Elend in der Großstadt und den Randgestalten der Gesellschaft, macht sich einen Namen als sozialkritischer Künstler.

Bald stellt van Dongen im Salon des Indépendants und in den Galerien von Berthe Weill und Ambroise Vollard aus. 1905 wird ein wichtiges Jahr im Leben des Künstlers: Seine Tochter Dolly, die er immer wieder malen wird, erblickt das Licht der Welt, und van Dongen wird Teil der „Fauves", der „Raubtiere". Zu dieser avantgardistischen Künstlergruppe gehören Maler wie Henri Matisse und André Derain. Gemeinsam haben sie den wilden und expressiven Einsatz von Farbe. Van Dongen wendet sich wieder verstärkt der Malerei zu und stürzt sich regelrecht in einen Farbrausch. Er porträtiert nun häufig Frauen, seine bevorzugten Modelle sind seine Frau Guus und Fernande Olivier, Picassos Geliebte. Sie wohnen alle zusammen im Bateau-Lavoir.

Rau, wild und ungeschliffen malt van Dongen, er hat seinem Stil gefunden. Die Farbe bleibt sein Ausdrucksmittel. 1909 verlässt er wie viele seiner Kollegen den Montmartre und zieht in den Stadtteil Montparnasse, der nun zum beliebten Künstlerviertel wird. In seiner neuen Wohnung gibt er Maskenbälle, die Dekadenz hält Einzug in sein Leben und sein Werk. Seine Geliebte Jasmy Jacon, eine Größe der Modebranche, macht ihn ab 1916 mit einflussreichen Freunden bekannt. Er erhält nun lukrative Aufträge, porträtiert vor allem reiche Frauen, wird zum Society-Maler. 1968 stirbt er im Alter von 91 Jahren in Monte Carlo, seinem letzten Wohnort.