Der Katalog anlässlich der Ausstellung „Erró/Jean-Jacques Lebel: 1955-2011“ in der Brot Kunsthalle in Wien 2011 liefert tiefe Einblicke in die Freundschaft der Künstler Erró und Jean-Jacques Lebel.

Erró stammt aus einer typisch isländischen Großfamilie und wurde auf einer abseits gelegenen Farm in Island groß, inmitten von Schafen und Kühen. Jean-Jacques Lebel hingegen wuchs als Einzelkind in New York in einer kunstaffinen Familie auf, als Sohn des einflussreichen Kunsthistorikers Robert Lebel. Während Erró als ruhiger und beharrlicher Isländer beschrieben wird, wird Lebel als quirlig-anarchischer Franzose dargestellt. Doch trotz oder gerade wegen dieser beiden so unterschiedlichen Charaktere entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft, die während ihres Studiums in Florenz 1955 in einer Studentenmensa begann.

Klare Unterschiede

Auch auf künstlerischer Ebene lassen sich Unterschiede klar erkennen, die nicht nur auf den unterschiedlichen Techniken und verschiedenen Medien beruhen. Erró scheint für seine Arbeiten immer wieder von seinem unglaublich großen visuellen Gedächtnis Gebrauch zu machen. Dabei transformiert er verbreitete Bilder der Pop-Kultur mittels einer Collagetechnik und stellt sie in einen neuen kritischen Kontext. Seine seit vielen Jahren auf Malerei fokussierte Kunst ist politisch, was ihn mit der Kunst von Lebel verbindet. Lebel jedoch ist ein universeller Charakter und eine schillernde Persönlichkeit der Kunstwelt. Er betätigte sich auch als Kurator und ist bekannt für seine Performance- und Aktionskunst, sowie seine oft erotisch konnotierten Collagen und Installationen aus Alltagsmaterialien, die auf Tabubruch angelegt sind.

Vom Nordpol kommend

Was war der Anreiz für eine Publikation über die zwei so unterschiedlichen Künstler? „Gegensätze ziehen sich an!“ ist die prägnante Antwort von Harald Falckenberg, der die Katalogtexte schrieb und in einem engen persönlichen Verhältnis zu beiden Künstlern steht. Zum besseren Verständnis von Errós und Lebels Arbeiten schreibt Falckenberg über ihre Herkunft, Ansichten und politischen Einstellungen. Darüber hinaus erzählen die beiden in einem ausführlichen Interview mit Heinz-Norbert Jocks von ihrer Freundschaft und der gemeinsamen Vergangenheit. „Für mich als Isländer, also vom Nordpol kommend, war er (Lebel) aufgrund seines enormen Wissens beeindruckend. Er schien alles zu kennen“, beschreibt Erró im Interview seine ersten Eindrücke von Lebel. Als Freunde reisten sie zusammen, zunächst auf ihren Vespas durch Italien, später durch die Welt. Als Künstler tauschten sie sich von Anfang auf bereichernde Art und Weise aus und arbeiteten gemeinsam an Bildern, Gouachen und Collagen.

Die Ausstellung und der Katalog gewähren mit über dreißig Werken und Abbildungen nicht nur einen Querschnitt der Arbeiten von Erró und Lebel, sondern ermöglichen auch einen Einblick in ihre künstlerische Zusammenarbeit. Aus den Textbeiträgen wird deutlich, wie viel beiden ihre innige Freundschaft und tief emotionale Verbundenheit bedeutet – vor allem aber Errós künstlerische Laufbahn wurde von diesem Zusammentreffen entscheidend geprägt.