Den Komponisten Morton Feldman und den Maler Philip Guston verband eine jahrelange tiefe Freundschaft, bis Guston sich vom Abstrakten Expressionismus verabschiedete. Dennoch widmeten sich beide Künstler jeweils ein außergewöhnliches Werk.

Philip Guston und Morton Feldman haben in ihrer Freundschaft viele Facetten einer Amour fou durchlebt -- vom explosiven Beginn mit unbändiger Euphorie bis zum Ende, der enttäuschten Abwendung. Dabei weisen die Biografien der beiden New Yorker eine ganze Reihe an Gemeinsamkeiten auf: Sowohl Guston als auch Feldman sind im Big Apple zu Hause, zählen sich zur neuen Bewegung der New York School und gelten als Visionäre auf ihrem Gebiet. Philip Guston bearbeitet seine Leinwände mit einer solchen Intensität, dass selbst kleinste Formate den Betrachter mit ihrer reinen Farbgewalt überwältigen. Morton Feldman wiederum studiert als Wunderkind bereits mit zwölf Jahren Klavier und interessiert sich früh für die in den 40er-Jahren aufkommenden Diskussionen rund um die neue Musik, die neuen Möglichkeiten, Musikwerke zu schaffen. Der Maler und der Komponist, beide New Yorker mit russisch-jüdischen Wurzeln und außergewöhnlichem Talent -- es war wohl eine fast schicksalhafte Verbindung, die John Cage in den 1950er-Jahren schmiedete, als er Philip Guston und Morton Feldman miteinander bekannt machte.

Knapp zwei Jahrzehnte lang galten Feldman und Guston als nahezu unzertrennlich. Ihr gemeinsames Zuhause war New York, ihr gemeinsamer Freundeskreis die New York School, die mit ihren avantgardistischen Ideen und Protagonisten wie Willem de Kooning, Jackson Pollock oder eben John Cage ein radikal neues Kunstverständnis propagierten. Ausgerechnet der neue Stil, den Philip Guston in seinem aktuell in der SCHIRN präsentierten Spätwerk entwickelte, sollte aber dieser Freundschaft zum Verhängnis werden: Mehr und mehr verabschiedet sich der Maler vom Abstrakten Expressionismus, sucht eine neue, ureigene Bildsprache. Und während fortan immer öfter Outlaws und Verzweifelte, die Zigarette im Mund und die Decke bis zum Kinn gezogen, seine Leinwände bevölkern, so scheint Morton Feldman zeitgleich zunehmend weniger Platz im Leben seines bis dato besten Freundes einzunehmen -- oder auch: einnehmen zu wollen, denn Feldman wendet sich ab von Guston und seinem Spätwerk. So empfindet es offenbar jedenfalls Philip Guston, der dem Komponisten 1978 ein eigenes Bild widmet: „Friend -- To M.F." zeigt das Porträt eines rauchenden Mannes, der sein Gesicht abwendet, nur das Ohr und ein Auge bleiben sichtbar. Ein Zeugnis der vorausgegangenen Zerwürfnisse und zugleich doch eine zärtliche Hommage, wohl im Wissen, dass man so nie wieder wird zusammen kommen können.

Umgekehrt widmet auch Morton Feldman seinem früheren besten Freund ein eigenes Werk -- ein Musikstück, dem man nur mit dem Adjektiv monumental gerecht werden kann: Über vier Stunden dauert „For Philip Guston", das der Komponist erst 1984, rund drei Jahre vor seinem Tod fertigstellt. Es zählt damit zu den drei längsten Stücken im an ausgedehnten Kompositionen nicht gerade armen Oeuvre von Morton Feldman. Mit enorm reduziertem Orchester -- oft spielen nur Flöte und Klavier -- erschafft „For Philip Guston" eine ruhige, aber stets hellwache Erzählung, die sich für den Kenner wie ein Brief mit geheimen Formeln, voller Verweise und Andeutungen liest: In einer Art „Abstraktion der Exaktheit", wie es Musikkritiker Thom Jurek formulierte, spiegelt Morton Feldmans Komposition genau jene Herangehensweise wider, die auch Philip Guston vor allem in seinen früheren Werken verfolgte -- nicht als pure Beliebigkeit, wie Kritiker der abstrakten Kunst gerne vorwerfen, sondern als ihr genaues Gegenteil, als Präzision in ihrer reinsten, nicht-figurativen Form. Eine Erinnerung an die gemeinsamen Ideen und Ideale, die die New York School und ihren Glauben an die Abstraktion in den Nachkriegsjahren zusammenhielt.

Philip Guston selbst konnte die Widmung nicht mehr hören, er starb bereits 1980 in seinem späteren Zuhause in Woodstock. Dabei war der Maler übrigens nicht der einzige, dem Morton Feldman eine Komposition widmete: Auch der Schriftsteller Samuel Beckett, der Maler Mark Rothko und schließlich auch John Cage wurden von ihm mit einem eigenen Musikstück bedacht. Eine Komposition in mehrstündigem Umfang aber blieb dem ehemals besten Freund vorbehalten.