Jimmy de Sana begleitet die abklingende Glam-Ära mit seinen stilisierten Fotografien – sein Thema ist der Verlust der Seele und die Konsumkultur im beginnenden Jahrzehnt des Zynismus: die berüchtigten 80er-Jahre.

Die 80er-Jahre werfen ihre Schatten voraus: Der Yuppie wird erfunden, die Angst um den atomaren Supergau und AIDS geht um, die Lust am Konsum läuft auf Hochtouren. Die vorangegangenen Jahrzehnte mit ihrer sexuellen Revolution und der Überbetonung des „All Love" lassen ein schales Gefühl zurück. Die Befreiten wenden sich anderen Dingen zu und pflegen fortan Außen- statt Innenwelt. Es ist das Jahrzehnt, in dem der coole Zynismus von „Wall Street" (1987) gefeiert wird -- und das eigentlich schon die letzten Ausläufer, den Anfang vom Ende der Glam-Ära einläutet. Es ist das Jahrzehnt von „Tod und Geld", wie Jimmy de Sana einst zusammenfasste.

Jener höchst beunruhigende Zustand

De Sana wird 1949 geboren und bereits mit Anfang 20 zu einer wichtigen Figuren im New Yorker-Underground an der virulenten East Side. Für Brian Eno und seine Talking Heads fertigt er das Plattencover an, William S. Borroughs schreibt das Vorwort zu seinem selbst verlegten Fotobuch „Submission". Seine künstlerische Sozialisation verläuft irgendwo zwischen den Koordinaten Punk, Beatnik und Gay Bar; als Homosexueller erlebt der junge New Yorker unmittelbar körperliche Gewalt. Vielleicht prägen diese Erfahrungen seine düstere Weltsicht vom Menschen als Objekt, die er immer wieder in stark ästhetisierten, inszenierten Fotografien ins Bild setzt. Nicht als eine plump visualisierte Gesellschaftskritik, sondern bereits als Vollendung dessen, was kritisiert wird, kann seine Fotografie verstanden werden: Menschen sind Objekte.

Jimmy de Sanas Bilder zeigen eine Welt, in der jener höchst beunruhigende Zustand längst realisiert, der Einzelne seiner menschlichen Individualität bereits beraubt ist -- und die trotzdem von einer magischen Schönheit sind. Stilisierte menschliche Körper im wolkenumhangenen Äther schwebend („Pool"), eine nackte Skulptur auf roten Kegeln vor einem golden glitzernden Hügel („Marker Cones") und dazu diese sphärischen Farben: wie ein Einsamer im Weltraum -- oder vielmehr: am Set eines Low-Budget Weltraumfilms -- wird der Mensch bei Jimmy de Sana inszeniert.

Der Eindruck gespenstischer Schönheit

In Schwarz/Weiß wirken de Sanas Motive schon deutlich brutaler, unversöhnlicher. Bekannt wurde der Künstler unter anderem durch ein äußerst explizites Selbstporträt, in dem er sich dem autoerotischen Luftabschnüren hingibt -- eine nicht ganz ungefährliche Technik, die besonders langes sexuelles Vergnügen ohne die naturgemäßen Grenzen des schwachen, fehlerhaften Körpers verspricht und die zuletzt etwa Hollywoodstar David Carradine das Leben kostete.

In dieser Technik, in diesem Motiv bündeln sich Jimmy de Sanas Themen: Der Mensch als Objekt, der Künstler als Sexobjekt in einer Welt ohne menschliche Subjekte, der somit folgerichtig auch sich selbst zum Objekt degradieren muss. Doch natürlich kommt auch diese Vorstellung nicht ohne eine starke Anziehungskraft, ohne eine Sehnsucht nach dem eigentlich Gefürchteten aus: Jimmy de Sanas Bilder vermitteln einen Eindruck jener gespenstischen Schönheit, die dem morbiden Jahrzehnt und seinen Vorläufern gegen Ende der 70er-Jahre verhaftet scheint.