Vor zehn Jahren richtete Daniele Buetti im Helmhaus Zürich eine apokalyptische Verwüstung an. Eindrücke der provokanten Aktion auf dem SCHIRN MAGAZIN

Das Museum ist vollkommen leer geräumt, noch nicht mal mehr eine Rezeption ist da. Im grellen Kunstlicht bietet sich den Besuchern ein apokalyptisches Panorama: Fast schwarze dunkelgrüne und tiefviolette Farbe ist die Wände herabgelaufen, das strahlende Galeriewand-Weiß darunter bleibt kaum mehr als eine Ahnung, nur an einigen Stellen sind ein paar Flecken geblieben. Selbst über die Türrahmen aus edlem Holz und den Boden ist Farbe gequollen. Die Fenster sind verbarrikadiert. Ein an Kaufhausmusik erinnernder Song tönt aus Boxen. Lichtschalter und Neonröhren hängen an losen Kabeln herab. Ein bisschen sieht es so aus, als hätten die Ausstellungsräume des Züricher Helmhauses gebrannt, als sei das Feuer in einer großen Löschaktion besiegt worden. Doch in Wahrheit war hier Daniele Buetti am Werk. Die sich über zwei Stockwerke ausbreitende Szenerie ist die erste Einzelausstellung des Schweizer Künstlers in seiner Heimat, wir schreiben das Jahr 2003. „Auf allen Knien" heißt die Schau.

Buetti ist so wandlungsfähig wie kaum ein Künstler. Bekannt wurde er in den Neunzigern mit Fotoarbeiten. Er ritzte auf Magazinseiten abgebildeten Models mit dem Kugelschreiber förmlich die Markennamen in die Haut, die sie in den Anzeigen repräsentierten. Das Bild von Kate Moss mit dem wie zur Narbe verwachsenen Schriftzug „Cartier Paris" auf der Brust ging um die Welt. Doch Buetti ist keiner, der Erwartungen bedient. In der Rotunde der SCHIRN lässt er gerade eine tiefe männliche Stimme Meditationsanleitungen durch Lautsprecher säuseln. Selbst Tapeten sind in seiner Werkliste zu finden.

Kalkulierte Provokation

Zu seinen frühen Arbeiten gehört das „Flügelkreuz", ein Zeichen in Form eines halben Kreuzes mit zwei Schenkeln, das eigentlich keines ist, denn es verweist auf nichts und unterläuft so die Funktion von Symbolen. Dennoch tritt es als solches auf. Buetti präsentierte sein Flügelkreuz bei Aktionen im öffentlichen Raum und stiftete damit Verwirrung bei Passanten. Er setzte es sogar wie ein Logo ein und präsentierte es auf kleinen Schildern an verkäuflichen Kleidungsstücken. Auch die etwas sonderbare Werküberschrift „Auf allen Knien" unterläuft eine Funktion, nämlich die des Titels. Sie beschreibt oder erklärt das Werk nicht, sondern fügt ihm lediglich eine rätselhafte Dimension zu.

Für seine erste Einzelausstellung in seiner Schweizer Heimat entschied sich Buetti für eine radikale Infragestellung der sakralen Räume der Kunst. „Kontrollierter Weltuntergang" titelte die Neue Zürcher Zeitung, von „domestizierter Radikalität" sprach Kritiker Urs Steiner in seiner Ausstellungsbesprechung. Dem Künstler sei ein Wurf gelungen, dem man vielleicht den Vorwurf der Effekthascherei machen könne, der aber innerhalb dessen Schaffens ein stringenter Schritt nach vorne sei. Buetti landete einen Coup mit dieser eigensinnigen Form des Action Paintings, kombinierte geschickt künstlerischen Größenwahn, Institutionskritik und kalkulierte Provokation.

Im Gespräch mit dem SCHIRN MAG beschrieb er „Auf allen Knien" als Geisterbahn, es sei ein Werk, das man mit allen Sinnen erlebe. Er sehe es als Gegenstück zu der Arbeit, die er jetzt in der SCHIRN präsentiere. Da ist etwas dran. Während das eine als visuelles Feuerwerk daherkommt, auf Konfrontation und Verrätselung angelegt ist, basiert „It's all in the mind" ganz auf Ton, ist introspektiv und legt vordergründig jegliche Absicht und Wirkung offen. Spuren hinterlässt die Installation in der Rotunde nicht, nur einige Sitzsäcke müssen am Ende weggetragen werden. Das Helmhaus-Team dürfte ein paar Tage gebraucht haben, um die Ausstellungsräume wieder in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen.