Am 24. April präsentiert die SCHIRN im Double Feature drei Filme des argentinischen Videokünstlers Sebastian Diaz Morales. Im Anschluss wird sein Lieblingsfilm „La película del rey“ von Carlos Sorin gezeigt.

Ein Mann schließt eine Tür, läuft durch das Zimmer zur nächsten Tür, öffnet diese und geht hindurch. Dann ein weiterer Raum und eine weitere Tür, schließlich ein Foyer, neue Türen und Räume und immerzu die nicht enden wollenden Schritte des Mannes, welche kaum Platz für andere Geräusche auf der Tonspur lassen.

Diese ersten Bilder aus Sebastian Diaz Morales' Film „Pasajes" weisen die Richtung für das, was in den darauffolgenden gut zwölfeinhalb Minuten passieren wird. Der Mann läuft, ähnlich einem Weltenwandler, nahezu unbemerkt von der Außenwelt durch Lagerhallen, wissenschaftliche Institute, Restaurants, Toiletten, Kellerräume und öffnet Türen um Türen um Türen. Er scheint in einer Art Labyrinth gefangen, in dem sich hinter jeder Tür ein anderer als der erwartete Raum befindet und es keinen Ausweg gibt, der Mann also zum unendlichen Gehen in einer Art Zwischenrealität verurteilt ist. Und so stellt sich auch beim Betrachter eine nahezu schaurige Faszination ein und er verliert sich in der Welt, die der eigenen verblüffend ähnlich scheint, aber doch fremd bleibt.

Der Spiegel in eine andere Welt

Der 1975 in Comodoro Rivadavia, Argentinien geborene Künstler bekam seine erste Kamera mit 12 Jahren. Als Ausgangspunkt der Arbeiten steht die Annahme, dass auch die als gegeben bezeichnete Realität reine Fiktion ist und diese wiederum zu Fragen führt, die Sebastian Diaz Morales in seinen Arbeiten ausformuliert. Die Arbeit „Insight", wie „Pasajes" ebenfalls aus dem Jahr 2012, setzt sich so mit der Wahrnehmung der Realität auseinander. Das erste Bild zeigt hier die Großaufnahme einer Kameralinse, welche seit jeher als Zugang zu einer anderen Welt verstanden wird. Der folgende Zoom-out in die Totale gibt nach und nach die Sicht auf einen Filmstab preis, welcher den Betrachter selbst zu filmen scheint. Das gezeigte Filmbild gibt sich jedoch als Spiegelbild in dem Augenblick zu erkennen, da es in 1000 Einzelteile zerspringt. Die dann in Zeitlupe herumfliegenden Scherben geben in beeindruckenden Bildern nun nur vereinzelte Ausschnitte des Filmstabs preis und verweisen so auf ein Motiv, welches im Film eine lange Geschichte aufzuweisen hat. So deutete im klassischen Film der zersprungene Spiegel im Rückgriff auf die Psychoanalyse jeweils auf die Zerrissenheit des sich hierin Betrachtenden hin, während der Filmwissenschaftler Thomas Elsaesser in der Filmtheorie hinsichtlich des Spiegelmotivs u.a. das „Kino als Spiegel zum Unterbewussten" und den „Spiegel als reflexive Verdoppelung" im Sinne einer Reflexion über das Kino selbst ausmacht. In diesem Sinne verwirft Morales das als eindeutig gesetzte Realitätsbild, löst es buchstäblich in seine Einzelteile auf und gibt so die Sicht frei auf einzelne Perspektiven auf das je Ganze.

Eine geisterhafte Anmut

In „Orcale", einer Auftragsarbeit für die Hermès H-Box aus dem Jahre 2009, schneidet Morales Aufnahmen von einigen seiner Reisen zu einer apokalyptisch anmutenden Collage zusammen, welche auf der Tonebene durchgängig mit einem tiefen Meeresrauschen unterlegt wird. Der Film beginnt mit einem von hinten gefilmten Mann, welcher regungslos am Pier auf das Meer starrt, zeigt im folgenden Aufnahmen von Städten, ihren Bewohnern und ihrer Architektur, immer wieder der weite blaue Himmel, verliert jedoch nicht den Blick für die kleinen Szenen, welche sich tagtäglich überall auf der Welt ereignen. Der Arbeit haftet eine geisterhafte Anmut an, und man könnte fast meinen, dass es hier eben die Blicke des laufenden Mann aus „Pasajes" sind, denen wir folgen dürfen -- wenngleich eben dieser Film erst drei Jahre später entstand.

Der erfolglose Eroberer

Im Anschluss an Sebastian Diaz Morales Filme wird „La película del rey" des argentinischen Regisseurs Carlos Sorin zu sehen sein. Der 1986 uraufgeführte Film erzählt die Geschichte des Regisseurs David Vass (Julio Chaves), der einen Film über den erfolglosen französischen Eroberer Orélie-Antoine de Tounens drehen möchte. De Tounens versuchte 1860 das Königreich von Araukanien und Patagonien zu gründen, scheiterte jedoch eindringlich an diesem Vorhaben und wurde schließlich verhaftet und des Landes verwiesen. Auch David Vass sieht sich im Laufe der Filmproduktion mit erheblichen Problemen konfrontiert, die schließlich zu für ihn katastrophalen Budgetkürzungen führen, sodass er selbst die Rolle des Eroberers Orélie-Antoine de Tounens übernimmt und sein Leben immer mehr Parallelen zum historischen Vorbild zu entwickeln scheint. Etliche Drehorte aus „La película del rey" sind auch Sebastian Diaz Morales bekannt -- er ist in dieser Region aufgewachsen. Der Künstler war von Anfang an fasziniert von der Tatsache, dass seine gewohnte Lebensumgebung in diesem Film vollkommen fiktionalisiert wird und ihm so einen neuen Blickwinkel darauf eröffnet. Und auch das im Film problematisierte Themenfeld, eben das Aufeinandertreffen von Realität auf der einen und Fiktion auf der anderen Seite beeindruckte Morales nachhaltig und beeinflusst bis heute seine Arbeitsweise.