In der Filmreihe DOUBLE FEATURE präsentiert die SCHIRN als Parcourspartner der B3 Biennale des bewegten Bildes am 30. Oktober Kurzfilme der Berliner Künstlerin Judith Hopf sowie ihren ausgesuchten Lieblingsfilm „La Règle du jeu“.

Dem einen mag es mehr, dem anderen weniger bekannt sein: Man leidet an einer körperlichen Missempfindung, gar an Schmerzen, und begibt sich schlussendlich ins Krankenhaus. Dort angekommen, muss man sich nun zuerst mit den dem Eindruck nach missmutigen Mitarbeitern an der Anmeldung herumschlagen. So in etwa beginnt auch Judith Hopfs und Deborah Schamonis Film "Hospital Bone Dance" aus dem Jahr 2006. Die Krankenschwester und die Frau, die an verschiedenen Gebrechen zu leiden scheint, kennen sich jedoch offenbar. Sie duzen sich, die Frau wird von der Krankenschwester rasch und barsch abgewiesen und geht schlussendlich. Patienten sitzen im Wartebereich, in sich versunken und sichtlich angespannt angesichts der Ungewissheit, was sie wohl erwarten wird. Doch plötzlich taucht da diese kleine schwarze Mumie auf, tanzen Patienten mit Krücken durch das ansonsten ausgestorbene Krankenhaus und draußen vor der Tür steht ein Barde, der „Like a rolling stone“ von Bob Dylan interpretiert.

Das surreale Setting, das Hopf in „Hospital Bone Dance“ kreiert, ruft einem Lars von Trier’s Mini-Serie „Geister“ in Erinnerung. Mit der Mischung aus schwarzem Humor, Krankenhausserien-Atmosphäre und Horrorelementen gelang dem dänischen Regisseur seinerzeit ein großer Erfolg. „Hospital Bone Dance“ nun verdichtet die Absurdität dieses merkwürdigen Ortes, den das Krankenhaus an sich darstellt: ein Ort, an dem eigentlich Gesundung und Heilung sich vollziehen sollen, der jedoch das Gegenteilige schon im Namen trägt. „Früher kam man aus dem Krankenhaus nicht mehr raus. Und heute kommt man nicht mehr rein,“ wie Judith Hopf in einem Interview erklärt. Und so wirft sich später die zuvor abgewiesene Frau folgerichtig vor ein Auto, um dann endlich doch noch auf einer Bahre ins Krankenhaus zu gelangen.

Unprätentiös und absurdem Humor zugetan arbeitet sich die 1969 in Karlsruhe geborene Künstlerin in ihren künstlerischen Arbeiten, welche sowohl Film und Video als auch Skulpturen, grafische Werke und Perfomances umfassen, an mitunter recht konkreten gesellschaftlichen Thematiken ab – zum Beispiel, indem sie wie in „Some End of Things: the conception of youth” aus dem Jahr 2011 ein Ei durchs menschenleere Bürogebäude laufen lässt. Das völlig deplatziert wirkende Riesen-Ei drängt sich schließlich durch eine Tür, was angesichts der Form nahezu unmöglich erscheint, und rückt durch das bestechend einfache Bild die Thematik der Anpassung des Unangepassten in den Fokus. 

Die Regeln des Spiels

Für den zweiten Teil des Abends hat sich Judith Hopf für Jean Renoirs „La Règle du jeu“ von 1938 entschieden. Nach seiner Uraufführung verrissen und verschmäht, wird er heute von der Filmkritik als Meisterwerk gelobt und hat seinen angestammten Platz in den einschlägigen Beste-Filme-aller-Zeiten-Listen. Im Gewand einer aufgedrehten Komödie seziert Renoir die gesellschaftlichen Konventionen des Großbürgertums sowie jene der Angestelltenklasse und konfrontiert diese mit den Konsequenzen ihrer eigenen „Spielregeln“.

Der Pilot André Jurieux (Roland Toutain), welcher gerade einen Sensationsflug über den Atlantik absolvierte, stellt nach seiner Rückkehr enttäuscht fest, dass er die Frau seines Herzens, Christine de la Chesnaye (Nora Gregor), mit seiner Heldentat nicht zurückgewinnen konnte, da diese sich endgültig für ihren Ehemann Robert (Marcel Dalio) entschieden hat. Der beendet daraufhin seine geheime Affäre mit Geneviève de Marras (Mila Parély), um sich noch einmal vollends auf die Rettung seiner Ehe zu konzentrieren. Der gemeinsame Freund Octave, gespielt von Jean Renoir selbst, sorgt schließlich dafür, dass alle Beteiligten sich beim geplanten Wochenendurlaub auf dem Landhaus der de la Chesnayes wiedertreffen und sich so die Liebesverstrickungen zwischen den Protagonisten noch verkomplizieren.

Während der Film einerseits als bitterböse Satire die gesellschaftlichen Spielregeln demaskiert und das verantwortungslose Handeln der Protagonisten aufzeigt, dämonisiert er doch zu keiner Zeit seine durch ihre Gefühlsregungen hin- und hergerissenen Charaktere. An einer Stelle stellt Octave beinahe resigniert fest: Das schreckliche am Leben ist, dass ein jeder seine Gründe hat. Diese Sicht auf das menschliche Wesen an sich verunmöglicht die einfache Verdammung der Figuren, entschuldigt deshalb jedoch keinesfalls deren Handlungen, welche immer auch in der Konsequenz für den Anderen gedacht werden müssen. Trotz der notwendigen Gesellschaftskritik nähert sich Renoir in „La Règle du jeu“ seinem Gegenstand so nicht überheblich, denkt sich selbst vielmehr als Teil dessen mit und vollbringt so das famose Kunststück, satirisch und emphatisch gleichermaßen zu sein.