Am 26. Juni präsentiert die SCHIRN im Double Feature den Film „Meet the Eye“ der amerikanischen Künstlerin Aïda Ruilova und zeigt im Anschluss Bob Rafelsons Spielfilm „Five Easy Pieces“.

Horrorfilme und Gruselstreifen, Psychothriller und Mysterymovies beschreiben seit jeher nicht vornehmlich das angsteinflößende Fremde, das von außen über die eigene heile Welt einbricht, sondern viel eher die unbegreiflichen Anteile des Abscheulichen und jene Urängste, die jedem einzelnen innewohnen und zumeist gut verdrängt nicht weiter das Alltags- und Zusammenleben beeinträchtigen. Die durch gesellschaftliche Normen, Erziehung und den Gesetzgeber im Zaum gehaltenen Barbareien verschaffen sich im genretypischen Film Geltung und beschäftigen uns so auch im Nachhinein. Der mal bessere, mal schlechtere Spezial-Effekt im Horrorfilm bleibt als Ausbruch der verdrängten, gewaltvollen oder sexuellen Triebe in Erinnerung.

Was die Frau so beunruhigt

Die 1974 in Wheeling, West Virginia geborene Künstlerin Aïda Ruilova reflektiert in ihren Videoarbeiten seit geraumer Zeit die formale wie auch inhaltliche Bildersprache des Horrorfilmgenres. Ihn ihrem gut siebenminütigen Film „Meet the Eye", welcher im Jahr 2009 im Rahmen eines Residency-Programms des Hammer Museums in Los Angeles entstand, werden wir Zeuge der Begegnung einer Frau (Karen Black) und eines Mannes (Raymond Pettibon) in einem düsteren Motelzimmer. Die Frau wirkt aufgebracht, verwirrt, hört Geräusche und fragt immer wieder: „What is it"? Etwas Schreckliches, Beunruhigendes scheint an diesem Ort geschehen, an den sie nicht hätte zurückkehren sollen. Der Mann scheint weniger gefangen in der Situation, reagiert auf die Gereiztheit der Frau merkwürdig unpassend, gar höhnisch und verstärkt so seinerseits die Anspannung des Augenblicks. In der Wand wird ein kleines Loch erkennbar, welches in einer schnellen Schnittsequenz weiter ausgehöhlt wird und den Blick freizugeben scheint auf das, was die Frau so beunruhigt.

Eine eindeutige Chronologie ist in „Meet the Eye" nicht erkennbar. Bestimmte Sequenzen wiederholen sich, schnelle Zwischenschnitte und Soundcollagen beschleunigen oder verlangsamen die Echtzeit und die Kamera scheint sich immer wieder an bestimmten Ausschnitten nicht sattsehen zu können. Formal und atmosphärisch erinnert die Arbeit an Horrorfilme wie die des amerikanischen Regisseurs David Lynch: die Künstlerin versteht es, lediglich durch die Montage und die Tonebene die sonst versteckt unheimliche Qualität eines alltäglich anmutenden Raumes herauszuarbeiten. Uneindeutigkeiten stellen das Gesehene in Frage und unterstreichen den unvollkommenen Blick des Betrachters. Das verdrängte Grauen, welches im Nebenraum nur durch ein Guckloch mit dem Handlungsort verbunden ist, scheint die Protagonistin und mithin das komplette Setting zu bestimmen. Im bedeutungsvollen Blick der Frau ist dies Grauen schon bemerkbar, bevor es überhaupt sichtbar wird. Was genau im Nebenzimmer liegt bleibt letztlich unwichtig, die unheilvolle Wirkung jedoch unumkehrbar.

Five Easy Pieces

Für den zweiten Teil des Double Features hat sich Aïda Ruilova für Bob Rafelsons „Five Easy Pieces" aus dem Jahre 1970 entschieden. Auch hier ist Karen Black zu sehen -- eine Schauspielerin, deren stetes Wirken in Hollywood aufgrund ihrer unverwechselbaren Präsenz für Ruilova eine Besonderheit darstellt. Der Film erzählt, für einen New Hollywood-Film beinahe exemplarisch, einen Abschnitt aus dem Leben des Gelegenheitsarbeiters Bobby Dupea (Jack Nicholson). Dupea stammt aus einer gutbürgerlichen Familie, welche ihn und seine beiden Geschwister Partita und Carl schon seit frühester Kindheit musikalisch streng erzogen haben. Während seine beiden Geschwister jedoch den vorbestimmten Weg des autoritären Vaters einschlagen, verschwindet Bobby, sucht sich fortan seinen eigenen Weg und macht sich immer wieder aus dem Staub, wenn er in festgefahrene Situationen kommt. In einer solchen ist der Protagonist auch zu Beginn des Filmes, findet er sich doch als Ölturmarbeiter in einem missliebigen Job wieder und fühlt sich zusätzlich vollkommen eingeengt in der Beziehung mit der liebesbedürftigen Rayette Dipesto (Karen Black), welche, eingeschüchtert durch Bobbys Launen und aus Angst vorm Verlassen werden, ihm ihre Schwangerschaft verheimlicht. Als seine Schwester ihm bei einer Begegnung eröffnet, dass der Vater nach mehreren Schlaganfällen in absehbarer Zeit sterben wird, beschließt Bobby, sich noch einmal dem Elternhaus und damit seiner verdrängten Vergangenheit zu stellen und macht sich auf die Reise.

Die Geschichte des gebrochenen Außenseiters, der hier auf vollkommen andere Art und Weise mit verdrängten Empfindungen, die nach wie vor das Leben bestimmen und zu immer neuen Konflikten führen, konfrontiert wird, ist eine sensible Charakterstudie und brachte den beiden Hauptdarstellen Nicholson und Black eine Oscar-Nominierung ein.