Versteckte Orte in Berlin, an denen sich Künstler heute jenseits der bekannten Galerien, Museen und Ausstellungen begegnen.

Jenseits der etablierten Kunstsphären findet sich ein weit reichendes Netzwerk der Kreativität in Berlin. In eigenen Strukturen geordnet und unabhängig von bekannten Galerien, Museen oder Ausstellungen, können sich diese Off-Locations in der Stadt entfalten; und mit ihnen all diejenigen, die bisher im Schatten der offiziellen Standorte auf den bahnbrechenden Erfolg warten.

Und doch sind sie auf ihre eigene Art und Weise erfolgreich. Wie in alten Montmartre-Zeiten existiert die Kunst nicht nur für sich selbst. Ihre Schöpfung ist stark mit der Atmosphäre ihrer Umgebung verwoben, denn die Kunst lebt von den Begegnungen, die zu Kollaborationen werden. Wie Matthias von Castor & Pollux schon präzise sagte:

“Der Zustrom junger, talentierter Künstler hat längst die Grenzen der lokalen Kunstszene gesprengt, ohne deren Beziehungen jedoch weiterhin nur wenig Erfolg möglich ist. Die Bohème ist längst erstorben. Ihre Nachfolger –: ein eklektischer Kreis aus Künstlern, Galeristen, Kuratoren, auch einigen Sammlern und Kritikern – bleiben unter sich, bilden einen kaum zu überwindenden Club, der dem jungen Spanier oder der jungen Asiatin kaum zugänglich ist. Doch die Stadt hat einen in der ganzen Welt hervorragenden Ruf, der junge Künstler mittlerweile kohortenweise anzieht. Ohne bisherige Erfolge und ohne Beziehungen zu ihren etablierten Kollegen sammeln sie sich in regelrechten Kreativghettos wie Nord-Neukölln, die mit den Künstlervierteln der Siebziger Jahre nichts mehr gemein haben.”

Team Titanic: der erste experimentelle Projektraum auf der Flughafenstraße in Neukölln

Heutzutage sind die off-locations der Kunst Orte, an denen sich Künstler und Kunstinteressierte treffen können. In einer kreativen Umgebung begegnen sie Menschen, die ihrer Community angehören. Diese Orte müssen keine Galerien oder Ausstellungen sein. Unter ihnen sind Clubs, Bars, Orte, an denen das Leben stattfindet und die zum Ausdruck dessen gehören.

Für die Ausstellung Esprit Montmartre in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt wurde ich darum gebeten, eine Idee beizusteuern, die das Leben der eklektischen und strahlenden Szene in Montmartre um 1900 mit dem Berlin von heute verbindet. Analog zu Matthias’ analytischer Ausarbeitung wollte ich die bereits erwähnten Off-Locations der Kunst zeigen. Allerdings ist meine Perspektive eine von Außen; ähnlich meiner Perspektive auf das Leben in Montmartre hundert Jahre später. Die Magie dieser Orte ist gefangen in den Wänden ihrer Adressen. Ihre Besonderheit kommt mit ihren Gästen. Außenstehende werden sie kaum als relevant bewerten. So läuft das meistens in einer Community, die auf Bekanntschaft und Gemeinsamkeiten basiert: nicht jeder bekommt den Zutritt.

Savvy Contemporary: Die zirkuläre Kunstszene soll um eine Brücke zwischen westlicher und “restlicher” Kunst erweitert werden
Sameheads: experimentelle Design- und Fashionboutique wie Café am Tag, Ausstellungsraum und Club am Abend
Das Gift: Bar und mietbarer Ausstellungsraum in einer alten Berliner Eckkneipe, die von einem Musiker und einem Künstler aus Schottland geführt wird
Chesters: Expat-Club, Plattform für experimentelle elektronische Musik und junge Künstler aus Brooklyn
Bar 3: Theater, Film, Kunst, PR. Eine Schnittmenge der kreativen Szene findet sich hier, passend dazu Privatclub & Hotel Soho House gegenüber
King Size: eine weitere Location in Mitte, die anders als die Projekträume in Neukölln ist. Aber Mittwochabends gibt es bei der Artist Night billiges Bier für die jungen Künstler, die netzwerken wollen
Smaragd Bar: nur Donnerstags und Samstags geöffnet. Es wird nur Cremant ausgeschenkt
Diener: Der Diener Tattersaal ist eine Berliner Institution. Eine gemütliche Kneipe, die seit jeher Künstler bedient. Sie hat immer noch nicht ihren Vibe verloren

Die gezeigten Orte der ungesteuerten Kunstszene (nebst vielen weiteren) können immer noch existieren, obwohl sie in Berlin aufgrund der steigenden Popularität der Stadt bereits langsam verschwinden. Durch die erhöhten Mietpreise für Gewerbe- und Lebensräume müssen Künstler und Galerien viel mehr Wert auf ihren ökonomischen Erfolg legen, statt lediglich die Freiheit des Künstlerdaseins zu genießen.

“Damit geht Berlin derzeit den Weg, den einst auch andere Kunstmetropolen wie New York, London oder auch das Paris der Bohème genommen haben: Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung (der hier freilich nur den Immobilienmarkt zu betreffen scheint) schwinden die notwendigen Parameter der freien künstlerischen Entfaltung. Längst treten andere Großstädte in spürbare Konkurrenz und so vergeht kaum ein Monat, in dem nicht eine andere Metropole als das neue Künstlerparadies ausgerufen wird. Glaubt man den Gerüchten, so werden sich die nächsten Künstlergenerationen vielleicht in Istanbul, in Buenos Aires oder Peking niederlassen. Eines Tages wird der Treck weiter gezogen sein und dann wird man sich nicht nur in Berlin fragen, wo all die Künstler und mit ihnen all das kreative Potential hingegangen sind.” (Matthias Planitzer, Castor & Pollux)

Danke an JuliaMariaElisa und Matthias für die Unterstützung auf der Suche nach den richtigen Orten für diesen Beitrag. FindingBerlin widmet sich der enormen kulturellen Vielfalt der Hauptstadt und zeichnet mit Fotos und Videos ein Porträt all der einzigartigen Facetten.