Der Künstler und Prophet Friedensreich Hundertwasser verstand sich als Anwalt der Natur

Friedensreich Hundertwasser war selbstverständlich Pazifist, Österreicher und Kosmopolit, Maler, Reisender und Anwalt der Natur. Die Natur war für ihn das höchste Gut und die Quelle universeller Harmonie. Kein Wunder also, dass sein Schaffen von ihr inspiriert ist und er sich selbst in ihre Dienste stellte. Daraus geht auch seine Ablehnung der geraden Linie hervor, die es in der Natur nicht gibt und die seine Gemälde, aber auch seine Bauwerke bestimmen. Hundertwasser hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Natur vor den Übergriffen des Menschen und den Schäden der Industrie zu schützen. Er schrieb Manifeste, veranstaltete Happenings und Protestaktionen. 1972 veröffentlichte er sein Manifest "Dein Fensterrecht -- Deine Baumpflicht". Darin tritt er ein für Vegetation auf dem Dach und individuelle Fassadengestaltung. Zuvor hatte er 1958 das "Verschimmelungsmanifest gegen den Rationalismus in der Architektur" herausgebracht, eine grundlegende Stellungnahme zur Soziologie des Wohnens. Schimmel begriff er als eine Art Verbündeten, der sich in Zimmerecken ansammelt und somit die rationalistische Architektur abrundet. Er setzte sich mit Pflanzenkläranlangen und Humustoiletten auseinander, entwarf Plakate für den Umweltschutz und hatte bis zum Jahr 1998 60.000 Bäume weltweit gepflanzt.

Eine universelle Harmonie

Geboren wurde Hundertwasser als Friedrich Stowasser 1928 in Wien. Die nationalsozialistische Machtübernahme in Österreich überlebte er dank seiner Mutter, die ihm eine Hakenkreuz-Armbinde verpasste und ihn 1942 bei der Hitlerjugend anmeldete. Sie selbst war Jüdin, er katholisch getauft: „Ich war geschützt, weil ich Halbjude war, und meine volljüdische Mutter war geschützt, weil sie einen halbjüdischen Sohn hatte." In den Nachkriegsjahren tauschte er seine Briefmarkensammlung gegen Essenspakte. Er unterhielt Kontakte in die ganze Welt, nach Ceylon, Sansibar, Algerien, in die Vereinigten Staaten und schrieb Briefe auf Deutsch, Englisch und Französisch (in späteren Jahren sprach er zudem Italienisch und ein wenig Japanisch, Russisch, Tschechisch und Arabisch). Eine Kopie eines jeden Briefes, den er schrieb und die, die er bekommen hatte, bewahrte er auf.

Die Briefmarke rettete ihm erneut das Leben. Sie wurde in späteren Jahren zum Träger seiner Botschaft -- der universellen Harmonie -- , die sich auf diesem Wege ganz von allein um die Welt verbreitete. Für Österreich, Kuba, Senegal oder die UN gestaltete Hundertwasser Briefmarken und 1990 schrieb er geradezu liebevoll: "Eine echte Briefmarke muss die Zunge des Absenders fühlen, wenn er den Leim befeuchtet ... Die Briefmarke muss die dunkle Innenseite eines Briefkastens erleben. Die Briefmarke muss den Gummistempel der Post erdulden. Die Briefmarke muss die Hand des Briefträgers spüren, wenn er den Brief dem Empfänger aushändigt. Die Briefmarke, die nicht auf einem Brief verschickt wurde, ist keine Briefmarke. Sie hat niemals gelebt." (in Pierre Restany: Die Macht der Kunst: Hundertwasser, der Maler-König mit den fünf Häuten)

Keine geraden Linien

1948/49 schrieb sich Stowasser an der Akademie der Bildenden Künste in Wien ein und fing in der Folgezeit an, seine Bilder mit Hundertwasser zu unterzeichnen. Ein intensives Studium folgte jedoch nicht, nach drei Monaten reiste er nach Italien ab, von dort ging es nach Paris. Das Reisen blieb Zeit seines Lebens sehr wichtig. Er reiste nach Marokko, Tunesien und Sizilien, kaufte ein Bauernhaus in der Normandie, heiratete und ließ sich scheiden. 1959 wurde er Gastdozent an der Hochschule für bildende Künste Hamburg, doch auch diese Verbindung hielt nicht lange an. Zusammen mit den Studierenden malte er in seinem Klassenraum die Unendliche Linie. Noch während dieser Performance wurde er entlassen. Er reiste nach Japan, heiratete dort ein zweites Mal und ließ sich vier Jahre später wieder scheiden. 1973 entdeckte er Neuseeland für sich, wo er in der Folgezeit rund die Hälfte des Jahres verbrachte. Er baute sich dort ein Haus inmitten der Natur und lebte nahezu autark. 1980 war ein wichtiges Jahr, denn in Wien wurde das Modell für das Hundertwasser Haus vorgestellt, es ist der Anfang seiner Architektenkarriere. Auch in Frankfurt und Umgebung sind einige seiner Bauwerke zu bestaunen: Der Kindergarten in Heddernheim, die Wald-Spirale von Darmstadt und die Wohnanlage "In den Wiesen" in Bad Soden.

Die Bauwerke Hundertwassers erkennt man sofort, es gibt nichts Vergleichbares. Denn auch in der Architektur existieren für Hundertwasser keine geraden Linien. Sein Wunsch war es, im Einklang mit der Natur zu leben und so setzte er sich für eine natur- und menschengerechte Architektur ein, für eine organische Architektur.

Beerdigt unter einem Tuplenbaum

Ein Symbol, das man im Gesamtwerk Hundertwassers immer wieder sieht, ist die Spirale. Sie symbolisiert die Weltsicht des Künstlers und seine Beziehung zur äußeren Wirklichkeit. Hundertwasser sagt, dass der Mensch fünf Häute habe: seine natürlich Haut, seine Kleidung und sein Haus, die des sozialen Umfelds (Familie, Freunde, Nation) und eine globale Haut. Auf diese äußerste Haut wirken die Biosphäre oder die Qualität der Luft. Im Kontext dieser Anschauung ist es nicht verwunderlich, dass Hundertwasser 1952 sein Gemälde "Blutende Häuser" malte, was er später wie folgt kommentierte: "Der Organismus Haus lebt, er freut sich und leidet. Seine Haut, die Außenmauern, blutet wie die menschliche Haut."

Friedensreich Hundertwasser starb 2000 auf der Rückreise von Neuseeland nach Europa auf der Queen Elizabeth 2. Auf seinen Wunsch hin wurde er in Neuseeland unter einem Tulpenbaum beerdigt, ohne Sarg, nackt in eine Koruflagge gehüllt. Diese hatte er 1983 als Alternative zur bestehenden Neuseeländischen Flagge entworfen, die für viele nur eine Erinnerung an die britische Kolonialherrschaft ist.

P.S.: Diejenigen, die in der Schule oder im Studium mit Latein in Berührung gekommen sind, kennen ihn: Den (kleinen) Stowasser, das Deutsch-Latein Schulwörterbuch. 1994, zum 100-jährigen Bestehen des Buches, wurde der Einband von Friedensreich Hundertwasser neu gestaltet -- in 100 verschiedenen Varianten, versteht sich. Die gleichen Namen sind kein Zufall. Joseph Maria Stowasser, österreichischer Lehrer, Altphilologe und Begründer des Wörterbuches, ist ein Vorfahre des Künstlers. Aber wie kam Friedrich Stowasser dann zu Friedensreich Hundertwasser? Sein Künstlervorname entstand in Japan Anfang der 60er-Jahre, indem er Friedrich in die japanischen Zeichen für "Friede" und "reich" übersetzte. Ab da nannte er sich Friedensreich. Und "Sto", das bedeutet im Slawischen nichts Anderes als "hundert".

Mehr über "Künstler und Propheten" erfahren im Film über die Ausstellung: