Édouard Manet widmete sich in seinen letzten Werken fast ausschließlich den Blumenbouquets an seinem Krankenbett. Es entstanden erstaunlich freundliche, lebensbejahende Bilder.

1879 bricht Édouard Manet, der mittlerweile zu den berühmtesten Persönlichkeiten der französischen Hauptstadt zählte, auf der Straße zusammen. Ob er an einem Rückenmarksleiden oder an der Syphilis erkrankt war, konnte nicht diagnostiziert werden, die verordneten Kuren brachten kaum Besserung. 1882 ist Manet so krank, dass er nicht mehr in seinen geliebten Garten gehen kann. Hauptsächlich seine weiblichen Freunde bringen Manet Blumen ans Krankenbett. Die zwanzig unprätentiösen Blumenbilder, die er von diesen Sträußen malte, zählen, neben dem Bildnis Elisas, der Kammerzofe seiner Freundin Méry Laurent, zu seinen letzten „Porträts“: Blumen im Winter seines Lebens. Sind die Rosen Anspielungen auf die damals gängige Blumenmetapher, nach der man in den Blumen junge Frauen oder auch Kurtisanen sah?

Etwa ein Fünftel des Werks von Manet sind Stillleben, auch in seinen großen Gemälden hat er sie versteckt. So etwa im Skandalbild „Olympia“ von 1865, wo einer liegenden Nackten ein prächtiger Blumenstrauß gereicht wird. Dieses Bild der wohl berühmtesten Kurtisane Frankreichs kam erst 1907 auf Intervention seines ehemaligen Weggefährten Claude Monet in den Louvre, der es unerhört fand, dass Manet 24 Jahre nach seinem Tode noch immer nicht dort ausgestellt wurde.

Manet bezeichnete Stillleben als „Malerprobe für den Künstler“ und stellte fest, ein Maler könne, wenn er Früchte, Blumen oder gar Wolken male, alles ausdrücken, was er sagen möchte. Seine letzten Bilder sind fast ausschließlich Blumen gewidmet. Etwa zwanzig davon sind bekannt, viele davon noch heute in entlegenen Privatsammlungen. Fünf dieser Bilder sind momentan in der Ausstellung „Letzte Bilder“ in der SCHIRN zu sehen. Darunter auch das vorletzte Werk des Künstlers, welches man nach seinem Tode noch auf der Staffelei stehend fand. Es zeigt auf dunklem Grund drei rosarote Rosen, von weit ausladendem, strahlend weißem Flieder umgeben. Die Glasvase scheint zu schweben. Trotz der Kreuzform, die Blumen und Vase bilden, ist in der frischen Darstellung kein Zeichen von Verfall erkennbar, kein Hinweis auf die Vergänglichkeit. Édouard Manet, der allen Grund zum Klagen gehabt hätte, bewahrt Haltung bis zum Schluss. Es ist ein freundliches, lebensbejahendes Bild.

Auf einem anderen Gemälde zeigt er Pfingstrosen, auch diese in einer Glasvase, mittig ins Bild gesetzt, auf einer weißen Marmorplatte vor dunklem Grund. Als er 1860 seine ersten Pfingstrosen malte, waren diese noch teure und exotische Importware. Die Vase ist nicht ganz mit Wasser gefüllt, wodurch der untere Teil der Blumenstängel durch die Brechung des Wassers leicht versetzt erscheint.
Manets Blumensträuße wirken entstofflicht, sie sind reine Malerei. Überall ist der rasche und doch kräftige Pinselstrich zu sehen. Und dennoch gelingt es Manet, den Charakter einer halbgefüllten Glasvase, die Zartheit der Blütenblätter, die Sattheit der Blätter und die Festigkeit der Stängel zu suggerieren. Édouard Manet, der Urheber zahlreicher großformatiger, skandalumwitterter und oft auch politischer Bilder, sollte in seinen letzten Tagen kleine, private, fast intime Bilder malen.