Die Berliner Künstlerin Alicja Kwade setzt in ihrer eigens für die SCHIRN-Rotunde entwickelten Installation Zeit, Raum und Bewegung in Beziehung.

Vom 26. März bis 14. Juni 2015 zeigt die Schirn Kunsthalle Frankfurt die von der Berliner Künstlerin Alicja Kwade eigens für die Rotunde entwickelte Installation „Die bewegte Leere des Moments“. Diese lässt Raum für subjektive Wahrnehmung und Assoziation. Eine Bedrohung ist beinahe körperlich spürbar. Oder ist es vielmehr ein Gefühl der Unsicherheit, der Verwirrung, das einen beschleicht? An der Deckenmitte der öffentlich zugänglichen Rotunde ist ein Motor mit einem Kreisgewinde befestigt. An einer Kette hängt ein Stein mit ca. 30 cm Durchmesser, der bis zur oberen, zweiten Etage reicht. Gegenüber ist auf Höhe der unteren, ersten Etage der Rotunde eine großflächige, beidseitige analoge Uhr mit ca. 50 cm Durchmesser angebracht. Beide Objekte rotieren um die Mittelachse des zylinderförmigen Raumes und spiegeln sich unentwegt in der mit Spiegelfolie verkleideten Fensterfront der Architektur.

Indem die Objekte unendliche Bahnen in immer gleicher Geschwindigkeit ziehen, entstehen verschiedene sinnliche Reize: Man hört das gleichförmige Ticken der Uhr, die anhaltende Bewegung löst ein beständiges Zischen aus. Die Spiegelung erzeugt eine endlose Vervielfachung und Doppelung, wodurch die Rotunde ihre räumliche Begrenzung verliert und unendlich viele Paralleluniversen entstehen. Der Mensch ist dieser allumfassenden Kreisbewegung ausgeliefert und wird gleichsam vollkommen in einen spezifischen Kosmos integriert. Alicja Kwade erschließt mit „Die bewegte Leere des Moments“ einen eigenen Raum für den Beobachter, der diesem Möglichkeiten für neue Perspektiven und Überlegungen eröffnet und seine Konzentration wie alle seine Sinne schärft. Was sehe ich tatsächlich? Was bedeutet Zeit, Bewegung und Raum für das einzelne Individuum? Inwieweit bieten naturwissenschaftliche Erkenntnisse Halt in dieser spezifischen Konstellation?

„Die häufig an naturwissenschaftliche Phänomene erinnernden Objekte Alicja Kwades verunsichern unsere Wahrnehmung von den Dingen und verlangen eine permanente Neubewertung. Nachdem die Schirn die Künstlerin 2014 in der Gruppenausstellung Unendlicher Spaß mit einzelnen Werken vorgestellt hat, freuen wir uns, ihr nun die zentrale Rotunde für eine singuläre Präsentation bieten zu können“, so Max Hollein, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Matthias Ulrich, Kurator der Ausstellung, ergänzt: „Die Künstlerin weckt Zweifel. Ihre Arbeiten dehnen einen Wirklichkeitsaspekt so lange, bis dieser zu kippen droht oder tatsächlich kippt und so Unmögliches, bisher nicht Vorhandenes entsteht. Objekte, die wertvoll erscheinen, jedoch in Wahrheit nur den Schein von etwas Wertvollem wiedergeben, werden für unsere Wahrnehmung zur optischen Falle und stellen so Fragen nach sozialen Übereinkünften und Konstruktionen.“

Was ist Realität? Was Wahrnehmung? Was sind gesellschaftliche Vereinbarungen? Das sind die zentralen Fragen, um die sich die Werke der in Berlin lebenden Künstlerin Alicja Kwade drehen. Hierfür thematisiert sie immer wieder naturwissenschaftliche, philosophische, aber auch ökonomische Phänomene wie etwa Doppelung, Verformung, Zeit oder Gravitation. Und sie findet in ihren Installationen, Skulpturen, Videoarbeiten sowie Fotografien anschauliche Lösungen und prägnante Bilder. Ihre Arbeiten erinnern häufig an Versuchsanordnungen, welche allerdings die Absolutheit naturwissenschaftlicher Gesetze oder auch kollektiver Wertevorstellungen hinterfragen und sezieren. Abstraktes wird konkret. Gleichzeitig fügt Kwade diesen Anordnungen eine gesellschaftliche Komponente hinzu, indem sie etwa auch Machtstrategien thematisiert. Verhältnisse werden neu aufgezeigt, Vertrautes wird neu bewertet, Normalität neu definiert.Alicja Kwade (geboren 1979 in Kattowitz, Polen) lebt und arbeitet in Berlin. Dort studierte sie von 1999 bis 2005 an der Universität der Künste. Ihre Arbeiten wurden in den vergangenen Jahren in verschiedenen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt, etwa im Hamburger Bahnhof in Berlin (2008), im Kunstverein Hannover (2012) oder im Haus Ester in Krefeld (2013/14). Vor Kurzem hat sie eine Ausstellung in der Kunsthalle Nürnberg eröffnet.