Max Hollein über eine gewagte Kommunikationstaktik mit gutem Ausgang, eine überraschende Mischung an künstlerischen Positionen und seine persönlichen Highlights dieser maßgeblichen Ausstellung zeitgenössischer Kunst.

Endlich wieder Documenta. Am Mittwoch war es soweit, ab 14 Uhr konnte man sich einen ersten Einblick in diese große Kunstausstellung, die diesmal mit weiteren Orten noch größer wurde, verschaffen. Und schon nach ein paar Stunden war klar, die perfide Kommunikationstaktik von Documenta-Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev, im Vorfeld mit bewusst missverständlichen Interviews, minimaler Information, kurzen Provokationen und fragwürdigen Sprüchen die Erwartungshaltung der seit Monaten fiebernden Kunstkritikerzunft herunterzuschrauben und die negative Energie der Kritiker auf ihre Person, und nicht etwa die Künstler/innen und deren Arbeiten zu konzentrieren – das macht in dieser hochentwickelten Form sonst nur der Fußballtrainer José Mourinho – ist vollumfänglich aufgegangen. Die Überraschung war groß, es ist eine sehr gute, durchdachte und mit viel Vergnügen zu durchwandernde Documenta, bei der auch für jeden etwas dabei ist.

Viel eigener Raum zur Entfaltung

Die Documenta 13 ist das beeindruckende Resultat einer sehr offenen, bewusst subjektiven, engagierten kuratorischen Perspektive. Sie bietet eine überraschende Mischung von sowohl sehr politischen/dokumentarischen Arbeiten als auch ästhetischen Werken, von Arbeiten sehr jungen Datums mit Klassikern der Moderne, Werken mit persönlichen Mythologien und Arbeiten, die sich mit großen globalen Zusammenhängen auseinandersetzen. Hinzugezogen werden Objekte aus den Randbereichen der Kunst. Dem Ganzen ist eine Faszination und eine Engagiertheit für eine vernetzte Welt und ihre multiplen Zusammenhänge im Großen und im Kleinen inhärent. Mir hat die Documenta sehr gut gefallen, insbesondere auch weil sie den Kunstwerken und den Künstlern viel eigenen Raum zur Entfaltung gibt und eine besondere Offenheit und Neugierde dokumentiert.

Analytisch bis hochemotional

Es gibt zu viele beeindruckende Werke, um sie hier alle aufzählen zu können. Das Spektrum reicht von den kühlen, analytischen Arbeiten von Mark Lombardi über politische und wirtschaftliche Systeme und deren Verstrickungen bis zu den hochemotionalen, introspektiven Installationen von Ida Applebroog, von erschütternden Werken von Rabih Mroué bis zu den formalistischen szenografischen Installationen von Haegue Yang. Besonders haben mir aber auch, zumindest das sei aus Lokalpatriotismus erwähnt, die neuen Maschinenarbeiten von Thomas Bayrle gefallen, dem ein besonderer Ehrenplatz in dieser Documenta eingeräumt wurde. Und der treue SCHIRN-Gänger wird neben mehreren Künstlern, die auch schon in der SCHIRN gezeigt wurden, eine Vertreterin brasilianischer Moderne wiedersehen: Maria Martins Skulpturen haben das Publikum bereits in unserer Ausstellung „Surreale Dinge. Skulpturen und Objekte von Dalí bis Man Ray“ begeistert.

Tagelang besichtigen

Zuviel gibt es, um es an einem Tag zu sehen. Und im Unterschied zu den vielen, vielen anderen aus der Kunstszene angereisten, die nun tagelang alles besichtigen (und nachts feiern), konnte ich nicht auf der Documenta verbleiben – den zeitgleich baut bei uns bereits ein anderer Künstler seine beiden großen Ausstellungen und damit ein ganzes Universum seines künstlerischen Schaffens in Frankfurt auf: Jeff Koons. Und da muss man, Documenta hin oder her, unbedingt dabei sein.