Für das ungemütliche Wetter wurde Kuratorin Ingrid Pfeiffer von gleich mehreren Kunstereignisse in New York entschädigt.

In den letzten Jahren war ich mehrfach im Mai in #New York in der Woche der #FRIEZE Kunstmesse und nicht mehr, wie in den Jahren zuvor, zur #ARMORY SHOW, die immer Anfang März stattfindet. Da ich dieses Jahr noch Sammler und Experten bezüglich zwei meiner bevorstehenden Ausstellungsprojekte aufsuchen musste, verlegte ich den Besuch wieder in die ARMORY Woche, was aber wegen eines heftigen Schneesturms und Tagestemperaturen bei minus 9 Grad weniger angenehm war.

Parallel zur ARMORY SHOW, die in diesem Jahr gute Qualität und eine großzügige Präsentation zeigte, finden immer noch eine Reihe anderer Messen statt, so etwa die kleine VOLTA, die sich direkt neben den großen Hallen an Pier 92 und 94 befand. Vor allem zu erwähnen ist aber die hippe INDEPENDENT, die seit 2009 in Chelsea im Gebäude der ehemaligen Dia Art Foundation organisiert wird: Eine kleine, aber feine Messe mit etwa 50 Galerien auf drei Etagen in einem charmanten alten Gebäude mit steiler Treppe.

Am Anfang hatte diese Messe einen alternativen Charme, die Stände wirkten eher improvisiert und die Wände zwischen den Kojen dünn und vorläufig. Das ist jetzt nicht mehr so -- „young and upcoming" kann man das nicht mehr nennen, denn Galerien wie Michael Werner präsentieren dort sehr professionell und in ästhetisch perfekter Form Museumsware, etwa hochkarätige Werke von A.R. Penck aus den 1970er-Jahren. Es hat mich sehr gefreut, Objekte wiederzusehen, wie ich sie auch in meiner Penck-Ausstellung 2007 zeigen konnte.

Für mich noch interessanter ist aber die sogenannte ART SHOW, die von der Art Dealers Association organisiert wird und die immer parallel in dem sehr repräsentativen Gebäude der ursprünglichen ARMORY SHOW an der Park Avenue stattfindet. Dort stellen alteingesessene Galeristen und Kunsthändler aus und zeigen eher moderne Klassiker und hochpreisige Ware.

Wichtiger als die Messen waren für mich in diesem Jahr Besuche bei Sammlern wie etwa einer 88jährigen Dame, die Sonia Delaunay noch persönlich kannte und die mir wunderbare Werke der Künstlerin für meine bevorstehende Ausstellung "STURM-FRAUEN. Künstlerinnen der Avantgarde in Berlin 1910-32" (30. Oktober 2015 - 7. Februar 2016) leihen wird. Sonia Delaunay und jede der 17 weiteren Künstlerinnen in der Ausstellung soll jeweils ein eigener Raum gewidmet werden.

Egon Schieles Werk ist unglaublich existenziell

Da gerade eine große Retrospektive zu Delaunay im Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris läuft und diese weiter an die Tate Modern in London wandern wird, war es ausgesprochen schwierig, genug frühe und hochkarätige Werke für unseren Delaunay-Raum zusammen zu bekommen: Eine solche Konkurrenz ist immer fatal, denn kaum ein Sammler und erst recht kein Museum leiht Werke nach einer solchen langen Ausstellungsperiode noch ein drittes Mal aus. Im Fall von Delaunay ist es zuletzt doch noch gelungen, andere Leihgeber zu finden, aber bis es soweit war, musste quasi in Detektivarbeit nachgeforscht und nach Alternativen gesucht werden.

Da wir Schirn-Kuratoren selten nur an einem einzigen Ausstellungsprojekt arbeiten -- und sei es so groß wie die STURM-FRAUEN mit rund 300 Werken aus aller Welt -- habe ich in New York bereits Leihgaben für meine nächste Ausstellung verhandelt, den Wiener Maler Richard Gerstl (1883-1908). Zu diesem Zweck war ich in der Neuen Galerie, dem auf Gustav Klimt und Wiener Kunst spezialisierten Privatmuseum in der Nähe des Guggenheim Museums. Dort lief gerade eine großartige Ausstellung zu den Porträts von Egon Schiele. Dieser allzu oft abgebildete und populäre Künstler überrascht mich immer wieder: Sein Werk ist unglaublich existenziell, und wenn man in einer solchen Ausstellung erstmals zahlreiche unbekannte Werke aus Privatsammlungen sieht, ist der Genuss umso größer und unerwarteter. Für mich verblasst neben diesen immer noch "wilden" Arbeiten fast alles, was ich sonst gerade auf den Messen gesehen habe ...

Sonst war das Museumsprogramm in New York gerade nicht besonders spektakulär. Stattdessen gab es eine museumsreife Ausstellung in der Gagosian Gallery in Chelsea "In the Studio: Paintings", kuratiert vom ehemaligen Chief Curator of Painting and Sculpture im MoMA, John Elderfield. Seit Jahre gibt es in New York den Trend, in den Großgalerien wie Gagosian und Zwirner Ausstellungen im Museumsformat zu zeigen oder noch weit darüber hinaus -- denn kaum ein Museum kann sich noch solche Transporte und Leihgebühren leisten wie diese Big Player des internationalen Kunstmarktes. In Elderfields absolut atemberaubender Auswahl an Werken, die das Thema des Künstlers in seinem Atelier beleuchteten, fanden sich Hauptwerke von Matisse und Picasso, aber auch ein sehr wichtiges Bild von James Ensor, das in meiner Ausstellung 2005/6 gleich am Eingang hing.

Die meisten Werke in dieser Ausstellung waren Leihgaben aus großen Museen und Sammlungen in Europa und den USA, darunter wahrscheinlich einige wenige aus Privatsammlungen, die tatsächlich zum Verkauf stehen. Man muss annehmen, dass sich die horrenden Ausstellungs- und Versicherungskosten trotzdem rechnen, wenn ein oder zwei Werke im Wert von etlichen Millionen verkauft werden. Es ist faszinierend und gleichzeitig beängstigend, zu beobachten, wie sehr die großen Galerien durch eine solche Praxis inzwischen die Aufgabe der Museen übernommen haben.

Eine Ausstellung macht allerdings gerade Furore in New York, wenn auch vermutlich weniger bei Touristen, die das Guggenheim Museum aufsuchen, sondern eher in der Fachwelt: Die große Retrospektive von On Kawara (1933-2014), einem Künstler, dessen "Date Paintings" man in Frankfurt durch seine ständige Präsenz im Museum für Moderne Kunst kennt. Beim Ablaufen der spiralförmigen Ebenen im Guggenheim Museum erschließt sich hier ein gleichermaßen konsequentes wie beängstigendes Werk, so umfang- und detailreich, dass man sich fragt, wie ein einzelner Mensch sein Leben so sehr dieser einzigen Idee widmen kann: das eigene Leben zu spiegeln, zu katalogisieren und zu reflektieren und in unglaubliche Mengen an Material zu übertragen. Es entstanden Bilder, Telegramme, Zeitungsausschnitte, Landkarten, Postkarten und vieles mehr. Die in der Guggenheim-Spirale unglaublich ästhetisch präsentierte Ausstellung passt in perfekter Weise an diesen Ort, dessen Architektur Raum und Zeit ebenfalls widerspiegelt.

Viele Kollegen in New York sprachen mich auch auf die bevorstehende Yoko Ono-Ausstellung im MoMA an, die Mitte Mai eröffnet werden soll. Die MoMA-Kuratoren sind mehrfach im letzten Jahr ins Guggenheim Bilbao gefahren, um sich dort über unsere Tournee zu informieren. Die Installation der Arbeiten in Bilbao spiegelte ganz genau die Installation in Frankfurt, bis hin zur Anordnung der Wandtexte, allerdings sind die Räume in Bilbao insgesamt größer. Die Ono-Ausstellung war extrem erfolgreich: Allein Bilbao hatte über 600.000 Besucher und alle vier Stationen (Frankfurt, Kopenhagen, Krems und Bilbao) zusammen rund eine Million.

Das MoMA will sich ganz auf Ono's früheste Werke der 1960er-Jahre konzentrieren, die ja auch bei uns im Zentrum standen, allerdings wollten wir retrospektiv auch ihre Entwicklung bis in die Gegenwart zeigen. Darauf will das MoMA wohl verzichten. In der Liste der in der Ankündigung erwähnten Arbeiten findet sich jedenfalls nichts, was in Frankfurt nicht auch zu sehen war. Ich bin sehr gespannt, was sie im Einzelnen von unserer Präsentation und Interpretation übernehmen werden!