Franz Mon, Frankfurter Autor und wichtiger Vertreter der Konkreten Poesie, wird im Rahmen der Ausstellung „Poesie der Großstadt“ Gedichte und Hörstücke aus den 1960er-Jahren vortragen. Das Schirn Magazin hat ihm einen Besuch abgestattet.

Kurz bevor Franz Mon (Jahrgang 1926) sein erstes Gedicht in den frühen fünfziger Jahren veröffentlichte, hatte er noch keinen Namen. Er sträubte sich dagegen, seinen gebürtigen Namen Franz Löffelholz zu verwenden. Sein Familienname, so sagt er im Gespräch, gehöre ihm nicht alleine und er wolle sich vor keiner Tante, keinem Verleger oder Leser für seine Texte rechtfertigen. Mon, wie auch eine Figur in seiner frühen Erzählung "Der Friedhof östlich vom Nil" (1948) heißt, schien ihm als Autorennamen geeignet. Es handelt sich um ein kompaktes Wort, dessen Herkunft nicht eindeutig zu entziffern ist. Dennoch steckt das griechische Wort "monos" dahinter, was "allein" heißt.

Dem Frankfurter Schriftsteller und Künstler geht es darum, das "Ichige", also die eigene Person mit ihrer Biografie, aus seinen Texten herauszuhalten. Dahinter steckt ein wichtiges Element der Konkreten Poesie aus den 50er-Jahren, mit der Mon als einer ihrer Vertreter bis heute in Verbindung gebracht wird. Es ist eine experimentelle Literaturform, in der die Sprache als Material und nicht als Mittel verwendet wird.

Goethe in Futura

Im Jahre 1959 publizierte Mon sein erstes Buch "Artikulationen". Darin verarbeitet er seine Entdeckung, dass Sprache aus zwei Ebenen besteht: Die erste ist die Lautsprache, das heißt jedes Wort setzt sich aus verschiedenen Klängen zusammen. Die zweite Ebene ist die Schriftsprache, die sich auf das geschriebene Wort bezieht. Mon war aufgefallen, dass literarische Texte nicht nur aus Wörtern bestehen, die eine Bedeutung besitzen, sondern auch über eine Artikulationsstruktur verfügen, die beim lauten Lesen hörbar wird. Darauf hat er beim Schreiben der eigenen Texte ein besonderes Augenmerk gelegt. Es lohnt sich also unbedingt, Mon beim Vortragen seiner Gedichte zuzuhören. Doch auch die Schrift bleibt sich nicht immer gleich: Ein Goethe- oder Schiller-Gedicht, in der schlichten Schriftart Futura gelesen, werde, liest man es etwa in der gewölbten Schriftart Bodoni, zu einem völlig anderen Text, ist Mon überzeugt.

Die Affichisten als Blütensammler

Als Franz Mon auf die Affichisten zu sprechen kommt, setzt er sich zunächst mit dem Wort auseinander, das dieser Kunstströmung ihren Namen gegeben hat. "Affiche", so erläutert er, meine im Französischen zunächst das Plakat. Das dazugehörige Verb, "afficher", bedeute nicht das Abreißen der Plakate, womit Künstler wie Raymond Hains, François Dufrêne und Jacques Villeglé in Verbindung gebracht werden, sondern das genaue Gegenteil, nämlich das Plakatieren. Mon erinnert daran, dass Wolf Vostell, der ebenfalls mit Arbeiten in der Schirn vertreten ist, immer von der Décollage gesprochen habe, worunter das Abziehen der Plakate verstanden wird.

In Mons Arbeitsraum ist der Katalog der Ausstellung "Poesie der Großstadt" aufgeschlagen. Die abgerissenen Plakate der Affichisten erinnern ihn an Blüten. Wie man einzelne Blumen zu einem Strauß zusammenstellt, so hätten auch die Affichisten ihre Plakate in Paris oder Rom zusammengetragen. "Die Plakate besitzen nun ihren eigenen Stolz und ihre eigene Unleserlichkeit", fügt Mon hinzu. Er hat selbst unzählige "Plakattexte" gestaltet und veröffentlicht. In seinen Schubladen liegen noch etwa tausend Exemplare, mit denen man problemlos eine ganze Ausstellung bestreiten könnte.

Happening auf einem Bauernhof

Mon hat immer in Phasen gearbeitet. Er hatte skripturale, visuelle und akustische Phasen. Auch 14 Hörspiele gehören zu seinem umfangreichen Œuvre. Zurzeit befindet sich Mon anlässlich einer geplanten Publikation in einer "Essay-Phase". Parallel bereitet er sich auf seine Lesung am kommenden Dienstag in der Schirn vor. Dort wird er Gedichte aus den 60er-Jahren sowie das Hörstück „Bloomsday 64" vortragen, dessen Herstellungsweise an die Technik der Affichisten erinnert. Der Titel verweist auf den alljährlich stattfindenden Gedenktag am 16. Juni, der sich auf "Ulysses", das Hauptwerk des irischen Schriftstellers James Joyce, bezieht. Die Hauptfigur des Buches heißt Leopold Bloom.

Am 16. Juni 1964 fand in der Galerie von Dorothea Loehr ein großes Happening statt. Ihre Ausstellungsräume waren in einem ehemaligen Bauernhof in Niederursel untergebracht. Als Mon die Scheune betrat, stand er vor einem mit Futter gefüllten Trog. Loehr hatte ein Faible für Mon und seine Künstlerkollegen: an dem besagten Happening nahmen auch Wolf Vostell, Thomas Bayrle und Bazon Brock teil. Vostell kam mit einem Leiterwagen, der mit Erde gefüllt war. Er entlud den Wagen im Hof, krabbelte den Hügel hoch und runter und bestückte ihn mit Knochen von Kühen und Schafen.

Franz Mon dagegen hatte eine Tonbandaufnahme ablaufen lassen, auf der er wie ein DJ verschiedene Texte von sich sowie Kinderstimmen und Werbetexte in verschiedenen Geschwindigkeiten zusammenmischte. Mon nennt diese Art von Collage auch "Ohrenliteratur". Seit dem außergewöhnlichen Tag im Sommer 64 ist diese Aufnahme nie wieder öffentlich zu hören gewesen. Am kommenden Dienstag kommt es nach über dreißig Jahren in der Schirn zur Wiederaufführung. Das Publikum darf sich freuen.