Der Soundpoet Dirk HuelsTrunk entwickelt unbekannte Geräusche mit Stimme und Mund. Bei Schirn At Night am 13. April können die Besucher seine Performance live erleben. Ein Interview.

Dada und Fluxus sind unverkennbare Einflüsse auf die Arbeiten des international tätigen Frankfurter Soundpoeten und Audiokünstlers Dirk HuelsTrunk. Seine Werke bewegen sich zwischen Konzept, Minimalismus und strukturierter Improvisation, zwischen anarchischem Spieltrieb und fundamentaler Sprachkritik. Obwohl Sprache und Stimme im Mittelpunkt stehen, sind diese Arbeiten im besten Fluxus-Sinne „intermedial", gleichzeitig als Poesie, Musik oder Kunst zu verstehen.

Am 13. April wird HuelsTrunk bei der Veranstaltung „Schirn at Night" im Rahmen der Yoko Ono-Retrospektive um 21 Uhr und 23 Uhr auftreten und mit Stimme und Loop-Pedal minimale Texte in komplexe Klangwelten verwandeln. Gemeinsam mit dem Publikum wird eine temporäre Klangskulptur als Hommage an Yoko Ono entstehen.

SCHIRN MAGAZIN: Wie wird man ein Soundpoet? 

Dirk HuelsTrunk: Ich war klassischer Schriftsteller und habe von Lyrik über Kurzgeschichten bis hin zu Romanen alles gemacht. Ich empfand die Lesungen immer als sehr langweilig, vor allem die sogenannten „Wasserglas-Lesungen". Da habe ich angefangen, mich stärker für das gesprochene Wort zu interessieren, was man damit anstellen kann. Ich war außerdem von Dada, Futurismus und Fluxus beeinflusst, habe meine Magisterarbeit über Dada und Neo-Dada geschrieben. Dort gab es massive Einflüsse auf der sprachlichen Seite, angefangen von Hugo Ball über Raoul Haussman, Kurt Schwitters bis zur Konkreten Poesie und der Idee der Intermedialität bei Fluxus. Anfang der 1990er-Jahre bin ich an der Wiener Schule für Dichtung dem Lautpoeten Jaap Blonck aus Holland begegnet und habe einen Kurs bei ihm belegt. Er hat mir schließlich empfohlen: „Bleib auf dieser Schiene, geh in diese Richtung weiter".

SM: Dein Arbeitsmaterial ist die eigene Stimme, mit der Du viele interessante und merkwürdige Töne erzeugen kannst. Wie hast Du das erlernt?

DH: Ich imitiere keine Geräusche, ich mache keine Stimmakrobatik. Ich versuche nur alle Geräusche, die ich mit der Stimme und dem Mund erzeugen kann, künstlerisch zu nutzen. Das habe ich mir im Grunde selbst beigebracht. Ich habe allerdings irgendwann Probleme mit der Stimme bekommen und musste einen Logopäden aufsuchen. Dort habe ich noch einmal einiges über die Stimme gelernt und wie man sie vernünftig einsetzt. Das war für mich sehr wichtig, dieses Wissen gebe ich mittlerweile auch selbst in Kursen weiter.

SM: Bei Deinen Performances modellierst du einzelne Worte, verbunden mit selbst produzierten Tönen zu komplexen Sound-Skulpturen. Wie wichtig sind dabei die technischen Geräte?

DH: Die technischen Geräte sind ein Hilfsmittel, ganz klar. Ich könnte viele dieser Sounds auch ohne technische Geräte machen, aber die Geräte machen es viel einfacher. Müsste ich einen 20-Personen-Chor dazu bringen, diese Geräusche zu machen, wäre das ein gigantischer Aufwand. Mit der Technik ist es einfach und günstiger umzusetzen und man kann sehr schön improvisieren.

SM: Wiederholung als gestaltendes Element spielt in der Kunst schon immer eine tragende Rolle. Mit Deiner geloopten Stimme multiplizierst Du Dich während Deiner Performances selbst, bis dann ein ganzer Chor von Poeten entsteht. Bist Du Dir alleine nicht genug?

DH: Wiederholung ist ein zentrales Element meiner Arbeit. Mich fasziniert es, wie mit jeder Wiederholung etwas Neues entsteht und wie nahe Wiederholung und Zufall beieinander liegen. Ich hatte eigentlich schon immer großes Interesse daran, mit anderen Künstlern zusammen zu arbeiten und tue dies aktuell in einem Duo mit dem finnischen Performancekünstler Juha Valkeapää. Mit dem Mainzer Fluxuskünstler Brandstifter habe ich das zweisprachige Kunstbuch „Antikörper/Antibodies" gemacht, dass wir mittlerweile in einer Multimediaperformance präsentieren. Zurzeit entsteht ein Projekt mit der finnischen Tänzerin und Choreographin Milla Koistinen. Im Prinzip ist die Arbeit mit dem Loop-Gerät auch ein wenig wie die Arbeit mit einer anderen Person: Man weiß nicht immer ganz genau, was dabei herauskommt. Trotz der Elektronik passieren überraschende Dinge, weil die Technik gar nicht so eindeutig vorhersehbar ist, wie es manchmal aussieht.

SM: Was reizt Dich bei Deinen Performances am Austausch mit dem Publikum?

DH: Kunst ist für mich Kommunikation. Das Interessanteste für mich ist natürlich die Reaktion der Menschen. Das empfand ich als Schriftsteller oft als problematisch: Man veröffentlicht etwas und weiß nicht, wie die Leute darauf reagieren. Das Unmittelbare reizt mich bei Live-Performances und schafft ein Band zwischen mir und dem Publikum. Diese Verbindung zwischen mir und dem Publikum wird von vielen Menschen, das habe ich gerade in Finnland erlebt, als magisch empfunden.

SM: Unterliegen Deine Kompositionen einem bestimmten Schema oder entstehen sie durch Improvisation?

DH: Das ist sehr unterschiedlich. Manche Arbeiten sind stärker auskomponiert, manche sind völlig improvisiert -- und dazwischen bewegt sich ein Großteil der Stücke. Oft habe ich eine Basis-Struktur, die viel Freiheit zum Improvisieren lässt. Die Live-Aufführungen sind also nicht komplett improvisiert, sondern durchaus wiederholbar, aber ich lasse mir immer Luft für spontane Änderungen, auch um auf ein spezifisches Publikum oder einen spezifischen Raum eingehen zu können.

SM: Deine Performances leben von den Wörtern, die Du speziell dafür ausgewählt hast. Nach welchen Kriterien wählst Du diese Wörter aus?

Das ist in erster Linie eine intuitive Angelegenheit. Ich habe allerdings ein spezielles Interesse an ganz schlichten und unbedeutenden Worten. Etwa meine Obsession für „Stop-Words", Wörter, die von Suchmaschinen herausgefiltert werden, wie "und", "darum", "weil", die für Suchmaschinen komplett irrelevant sind. Ansonsten laufe ich mit offenen Augen durch die Welt und entdecke Wörter, die ich in meiner Performance kritisch hinterfrage.

SM: Hast Du ein Lieblingswort? 

DH: Im Allgemeinen habe ich keine Lieblingswörter, sondern Wörter mit denen ich mich viel beschäftige und die mit mir einen langen Prozess durchlaufen. Eines dieser Wörter, mit dem ich mich schon lange beschäftige, ist das Wort "Kompetenz".