David Saik hat die Ausstellungsarchitektur für die Schau „Letzte Bilder“ entworfen. Wir haben ihn in seinem Berliner Studio besucht und hinter die Kulissen der Kulissen-Produktion geschaut.

Der Raum in der SCHIRN, in der gerade die letzten Werke großer Künstler von Édouard Manet bis Martin Kippenberger zu sehen sind, ist acht Meter breit und 80 Meter lang. Extreme Maße – eine Herausforderung für die Ausstellungsarchitektur. Angenommen hat sie David Saik. Gut gelaunt schnellt er in seinem Berliner Studio um ein fast zwei Meter langes Modell herum, das auf einem noch längeren selbst gebauten Arbeitstisch in der Mitte des Raumes steht, zeigt auf die Wände mit den Miniaturen der Werke und die winzigen Plastik-Besucher. Aus seinem Laptop klingt Musik – die lasse er gerne laufen, wenn er an seinem Tisch sitze und etwas mit den Händen mache, zum Beispiel ein Modell baue, erzählt er.

Schon sechs Monate vor Ausstellungseröffnung begann die Entwurfsarbeit in Saiks Studio. Die Skizzen hängen noch an der Pinnwand, neben Zeichnungen seines kleinen Sohnes und der Reproduktion eines Dada-Plakats. Esther Schlichts kuratorisches Konzept sah vor, je zwei der präsentierten Künstler zu paaren, etwa Andy Warhols „The Last Supper (Camel/57)“ mit Gemälden von Giorgio de Chririco. Für Saik stand schnell fest, dass jedes Werkpaar auch einen eigenen Raum benötigt, und dass diese Räume besonders werden mussten: „Traditionelles Ausstellungsdesign ist oft sehr monoton – man schreitet immer gleiche Räume ab und ist spätestens nach dem dritten völlig gelangweilt. Das wollte ich vermeiden.“ 

„Wenn man daneben liegt, ist es ein Desaster“

Saik ist die Quadratur des Kreises gelungen. Er hat ein originelles Konzept entworfen, das aber noch dezent genug ist, um nicht mit den starken Handschriften von Künstlern wie Henri Matisse in Konkurrenz zu treten. Die Räume sind verschieden groß und auch mal schräg in die schlauchförmige Halle gesetzt. Die Durchgänge dazwischen sind ebenfalls unterschiedlich platziert und interagieren mit der Hängung. Während man etwa die Wolkenbilder von Georgia O’Keeffe betrachtet, kann man mit einem Auge schon die de Chriricos im nächsten Raum sehen und im übernächsten einen Kippenberger erspähen.

Zentrales Gestaltungsmittel ist die Farbskala: Sieben verschiedene Töne, vor allem Grau-Variationen, geben jedem Raum eine eigene Atmosphäre. „Wenn man von einem hellen in einen sehr dunklen Raum geht, trennt das die Werke klar voneinander. Man tritt buchstäblich in ein neues Erlebnis. Wir haben Farbmuster produzieren lassen und sie neben die Originale gehalten. Mit Farbe zu arbeiten, ist bei ausdrucksstarken Kunstwerken schwierig. Wenn man daneben liegt, ist es ein Desaster,“ erzählt Saik vor seinem Modell.

Für Jeff Wall baute Saik zwei Studios

Hier, in einem Hinterhof in Berlin Mitte, kann Saik seine durchdachten Projekte in aller Ruhe ausknobeln. Er arbeitet vor allem für die Kunstbranche. In der Auguststraße ist er in guter Nachbarschaft, hier haben sich namhafte Galerien wie Eigen+Art niedergelassen, schräg gegenüber liegt das KW Institute for Contemporary Art. Sobald die Sonne rauskommt, ist jede Menge Trubel in den unzähligen Cafés und Bars in der Umgebung. Im Erdgeschoss des Hinterhauses bekommt Saik nicht viel davon mit. Im Frühling mache er gerne alle Fenster auf, erzählt er, dann erfülle Vogelgezwitscher sein kleines Studio.

Zu Berlin pflegte der Kanadier zehn Jahre lang eine On-and-Off-Beziehung, mittlerweile ist er in der Hauptstadt sesshaft geworden. Raumerlebnisse entwirft er hier unter anderem für die Berlinische Galerie, er lieferte die permanente Ausstellungsarchitektur für die große Sammlung des Hauses. Saik arbeitete auch in Städten wie New York, Basel oder Vancouver. In der kanadischen Stadt baute er für den Fotokünstler Jeff Wall ein altes Lagerhaus aus, kurze Zeit später realisierte er für ihn ein ganz neues Studiohaus in einem Industriegebiet – 600 Quadratmeter Atelierfläche für die Settings von Walls aufwendigen Produktionen. „Ein Fotokünstler braucht manipulierbare Lichtbedingungen. In seinem neuen Studio kann Jeff die Kombination aus natürlichem und künstlichem Licht exakt einstellen,“ beschreibt Saik sein Konzept.

Eine Erfahrung im Raum

2011 lud ihn der kanadische Künstler Steven Shearer ein, ihn für seinen Beitrag zur 54. Kunstbiennale von Venedig zu unterstützen. „Im Grunde haben wir den Pavillon renoviert. Mindestens 30 Jahre lang wurde nichts unternommen, um das wunderschöne Gebäude aus dem Jahr 1956 in Stand zu halten,“ erklärt Saik. Mit jeder Ausstellung sei etwas in dem Gebäude verändert worden. „Unsere Idee war, den Pavillon so gut wie möglich wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen.“ Alte Fotos dienten als Vorlage. In den fertigen Raum integrierte Saik dann zur Architektur passende Displays für Shearers Arbeiten.

Jedes Architekturprojekt im Kunstbereich hat seinen eigenen Anspruch. Gemeinsam haben alle, dass die Architektur nur im Hintergrund wirken soll. Es gehe immer darum, die Kunst gut aussehen zu lassen, bekräftigt Saik, man müsse immer wieder ausloten, wie weit man gehen könne, bevor die Architektur der Kunst die Schau stiehlt. Zu stören scheint ihn das nicht. Auch nicht, dass viele Ausstellungsarchitekturen wieder abgebaut werden, um Platz für die nächste zu machen. Letztlich gehe es doch immer um die eine Erfahrung im Raum, bei ein paar temporären Wänden genauso wie bei einem bleibenden Gebäude.