Michael Graeter gilt als bekanntester Gesellschaftsreporter Deutschlands. Er enthüllte eine Affäre zwischen Gunter Sachs und Brigitte Bardot und zog mit Jack Nicholson um die Häuser. Wir sprachen mit ihm anlässlich seines Talks am 27. Juni in der Ausstellung „Paparazzi!“.

Michael Graeter, Vorbildfigur für den Klatschreporter Baby Schimmerlos in der Satire "Kir Royal" aus den 1980er-Jahren, schreibt bei der Münchner Abendzeitung eine Kolumne über Stars und Sternchen. Die F.A.Z. bezeichnete den 73-Jährigen als „Chronisten einer glitzernden Promiwelt". Anlässlich der Ausstellung "Paparazzi" veranstaltet die SCHIRN mit Graeter und dem HR-Redakteur Ulrich Sonnenschein am 27. Juni einen Talk.

SCHIRN MAGAZIN: Hat Ihnen schon mal jemand mit der Kamera aufgelauert?MICHAEL GRAETER: Natürlich, und zwar nachdem ich einmal selbst ins Rampenlicht geraten war. Damals war ich selbstständig und mein Geschäftsführer hatte Arbeitgeberanteile nicht an die Krankenkasse gezahlt. Ich wurde verurteilt, zunächst auf Bewährung. Weil ich dann einmal zu schnell fuhr, zu meinem sterbenden Vater, musste ich ins Gefängnis. Als ich da raus kam, lauerten mir einige Paparazzi auf. Ich halte sie übrigens für sehr wichtige Mitarbeiter, sie setzen Journalismus erst richtig um, denn sie machen ungeschminkte Bilder. Man will ja wissen, wer mit wem, wer nicht mehr mit wem -- so ein Foto spricht mehr als tausend Worte. Wenn ich Fotos anschaue, auf denen die Leute posieren, da schlafen mir doch die Füße ein. Ich lasse Bilder oft auch so schießen, dass es aussieht, als seien sie spontan entstanden, als sei jemand zum Beispiel gerade aus dem Hotel gekommen.

SM: Zuerst das Foto, dann die Story?MG: Das Foto ist heute das Wichtigste. Früher war immer zuerst die Story da, dann hat man ein Archivbild genommen oder ein neues Foto bekommen. Heute produziert man keine Geschichte mehr, wenn nicht das passende Bild da ist.

SM: Sie arbeiten mit Paparazzi zusammen?

MG: Ich habe eigene Fotografen, mit denen ich schon jahrelang arbeite, und dann gibt es natürlich noch freie Paparazzi, die mir Bilder anbieten. Oder ich weiß, dass zum Beispiel Madonna mit einem neuen Verehrer in einem Hotel absteigt und schicke einen Paparazzo hin, der sich da vor die Tür stellt.

SM: Was waren die pikantesten Geheimnisse, die Sie in Ihrer Karriere gelüftet haben?

MG: Zum Beispiel die Romanze zwischen Brigitte Bardot und Gunter Sachs, die Liebelei zwischen Prinz Ernst August von Hannover und Prinzessin Caroline von Monaco oder auch die Streifzüge des Fußballspielers Luca Toni, der in München gewütet hat wie Don Juan.

SM: Das Foto war in allen Fällen Beweismittel ...

MG: Genau. Und alles muss sehr schnell gehen. Denn der Kick, den ich bei meinem Job bekomme, ist, die Story als Erster zu bringen.

SM: Wie haben Sie das denn bei Sachs und Bardot geschafft?

MG: Mich hat damals ein befreundeter Grenzbeamter vom Münchner Flughafen angerufen, nachdem er die Pässe der beiden gestempelt hatte. Ich kannte Gunter Sachs und konnte mir denken, wohin er mit der Bardot wollte: zu einer Yacht. Ich habe da einfach angerufen und suggestiv gefragt, ob die beiden schon da seien. Eine Frau antwortete, alles sei schon vorbereitet und sie könnten jeden Moment kommen. Also setzte ich mich zusammen mit einem Fotografen in mein Cabrio und fuhr hin. Zuerst sah ich Brigitte Bardot -- ein super Hase, da hat der liebe Gott sich sehr angestrengt. Sachs bat mich darum, mit der Veröffentlichung drei Tage zu warten, damit sie ungestört Urlaub machen konnten. Am dritten Tag haben wir dann zitternd gedruckt. Danach tauchten dort natürlich jede Menge Paparazzi auf, aber die beiden waren längst über alle Berge.

SM: Klatschpresse und Paparazzi assoziieren viele mit mangelnder Moral. Das Bild muss her, um jeden Preis.

 

MG: Ich habe immer gute Beziehungen zu den Promis gepflegt, wurde nie beschimpft. Ich habe ja auch nichts Böses getan, sondern lediglich Nachrichten in die Welt gesetzt.

SM: Der Tod von Prinzessin Diana, die bei einem Autounfall in Paris starb, verfolgt von Paparazzi, entfachte eine lebhafte Diskussion.

MG: Das ist die größte Ente des Jahrhunderts, diesen Mythos der Todesjagd haben Sonntagsjournalisten in die Zeitung gesetzt. Von Jagd kann man da überhaupt nicht sprechen. Diana und Dodi Al-Fayed haben ganz ungestört das Hotel verlassen, die Paparazzi kamen mit zehnminütiger Verspätung am Unfallort an. Ein Fotoapparat ist doch keine Kalaschnikow. Der Fahrer war betrunken, wollte imponieren und hat Gas gegeben. Ich kenne die Straße, da bin ich mit meinem Sportwagen auch schon fast abgehoben.

SM: Wie sieht denn Recherche bei Ihnen aus? Mit Jack Nicholson sollen Sie in München durch die Bars gezogen sein ...

MG: Das hat mehr mit Erleben als mit Recherche zu tun. Und man braucht ein gutes Netzwerk, damit man einen Anruf bekommt, wenn etwa ein Star in einem Hotel absteigt. Bei Nicholson war das ganz einfach. Er war in der Stadt, um seinen Film „Einer flog über das Kuckucksnest" vorzustellen. Der Chef der Filmfirma rief mich an und fragte, ob ich nicht helfen könne, ihm einen schönen Aufenthalt zu bereiten. Also holten wir ihn vom Flughafen ab, gingen in eine Bar und ich bestellte ein paar Damen dazu.

SM: Wer sind die größten Paparazzi aller Zeiten?

MG: Es gibt ja nicht den Paparazzo, das ist eine Meute. Manche haben sich zum Beispiel in Hollywood angesiedelt und fahren den ganzen Tag herum, um Stars abzulichten. In Italien und Spanien sind auch viele unterwegs. Aber die besten Bilder sind meist sowieso Zufallstreffer. In Deutschland ist das alles rechtlich problematischer, hier gibt es ja zum Beispiel das Recht am eigenen Bild. Wenn ich hier Heidi Klum ablichte, kann sie mit einer Unterlassung kommen. Die schönsten Bilder sind in den Sechzigern in der Via Veneto in Rom entstanden, zu Zeiten Federico Fellinis, Luchino Viscontis, Marcello Mastroiannis. Damals sind die Leute dorthin gegangen, um in die Zeitung zu kommen. Diese Straße war immer so etwas wie der Hochaltar der Paparazzi. Doch sie ist längst im Dornröschenschlaf.