Atelier Markgraph, Agentur für Kommunikation im Raum, hat für die Ausstellung „Glam! The Performance of Style“ eine Ausstellungsarchitektur entworfen, die dem Erlebnis einer Zeitreise nahe kommt. Ein Gespräch über den Entstehungsprozess auf dem SCHIRN MAG.

Die Büroräume von Atelier Markgraph liegen im Westen von Frankfurt, im obersten Stockwerk eines unscheinbaren Bürogebäudes. Ein großer heller Lichthof bietet hier, im 4. Stockwerk, den Mitarbeitern einen angenehmen Rückzugs- und Ruheort unter freiem Himmel. In den großzügigen Fluren rund um den Innenhof herrscht dagegen konzentrierte Betriebsamkeit. An offenen Arbeitsplätzen tauschen sich Teams interdisziplinär aus, in den zahlreichen Zweierbüros ist kreative Konzentration zu spüren. "Der Wechsel von In- und Output, von Austausch, Inspiration und Kreation ist sehr wichtig für unsere Arbeit", kommentiert Hellen Kleine, Creative Director bei Atelier Markgraph, die räumliche Gestaltung des "Square Donut", wie die Frankfurter Kreativen ihren Arbeitsplatz liebevoll nennen.

Atelier Markgraph erschafft Räume unterschiedlichster Facetten, und das auf hohem Niveau. „Kommunikation im Raum soll Inhalte kommunizieren und erlebbar machen“, beschreibt Kleine den Anspruch der Agentur. In den Büroregalen finden sich akribisch gefertigte Architekturmodelle, die einen Querschnitt der Projekte von Markgraph zeigen. Die bewegen sich zwischen gigantischen Inszenierungen auf Automobilmessen und kleineren, aber detailverliebten räumlichen Arbeiten unterschiedlichster Art – ob mobile Containerarchitektur mit interaktiven Soundinstallationen oder stilisierte Outdoor-Landschaften als Übungsterrain für Sportartikelhersteller. Und in diesen Regalen finden sich auch Modelle verschiedener Ausstellungsräume in Kulturinstitutionen. „Wir streben ganz bewusst eine ausgewogene Mischung aus kommerziellen und kulturellen Projekten an", so Kleine, "das bringt Abwechslung und neue Erfahrungen, die dem jeweils anderen Bereich zugutekommen.“

Und wie beginnt die Auseinandersetzung mit einem solchen Projekt? „Nachdem wir ein Team gebildet hatten, mussten wir ein Gefühl für die Glam-Zeit entwickeln. Was war Glam eigentlich? Wir haben Bilder betrachtet, Musik gehört, Texte gelesen, Eindrücke an einem Mood-Board gesammelt.“ Eine Vorgabe der SCHIRN für die Ausstellungsarchitektur war, einen visuellen Verstärker für die Exponate zu schaffen. Die Atmosphäre einer Ära sollte den Besucher umgeben. „Bald wurde uns klar: Glam war nicht nur Glitzer und Glamour. Die Bewegung hatte auch eine verborgene Seite. Die schillernde Maskerade war nur vordergründig, hinter all der Schminke steckte noch ein anderes Gesicht“, beschreibt Kleine ihre Eindrücke auf dem Weg zu den ersten Entwürfen. Der Ausbruch aus der Norm, einer der wichtigsten Merkmale jener Zeit war, findet sich nun wieder in einer Architektur, die rechte Winkel vermeidet und stellenweise fast labyrinthische Formen annimmt.

Die Idee der Bühne, die sich damals für jeden öffnete und bespielt werden wollte, bezog man ebenfalls in die Architektur der Ausstellung mit ein: „Die Eingangssituation der Ausstellung haben wir bewusst als offene Bühne gestaltet. Eine Bühne, auf der die großen Idole der Zeit, David Bowie, Brian Eno und Brian Ferry dem Besucher entgegentreten. Doch diese Bühne darf nun auch von jedem Ausstellungsbesucher betreten werden.“ Bühnenelemente findet man bei genauerem Hinsehen in der Ausstellung überall: Über den Räumen schweben Bühnenscheinwerfer an Gerüststangen und tauchen die dunklen Räume in Dämmerlicht, wie man es sonst nur von Konzerten gewohnt ist.

„Stofflichkeit und die Farben der Zeit waren ein wichtiges Thema bei der Planung der Architektur“, berichtet Kleine von dem Prozess der Materialsuche für die Ausstellung. Goldene und silberne Glittervorhänge bilden jetzt den Hintergrund für Ausstellungsstücke, die man sich auf einer neutralen weißen Wand nur schwer vorstellen kann. Schwarze Wände und ein schwarzer Boden, akzentuiert von violetten Wandteilen, erwecken den Eindruck, einen Club am Morgen danach zu betreten. Dazwischen strahlen, wie Musiker im Lichtkegel, die ausgestellten Werke aus dem Dunkel hervor. Die Musik jener Zeit tönt durch den Raum und erschafft die Illusion einer Konzertsituation. Die von Markgraph geschaffene “Kulisse“ macht das Erleben der Ausstellung erst vollständig. Das reicht bis hin zu der Auseinandersetzung mit einer passenden Schriftart: in diesem Fall hat der Grafik-Designer Frank Rocholl die aus den 1960er-Jahren stammende Schriftart Avant Garde für die grafische Gestaltung ausgewählt und so eingesetzt, dass sie sowohl ihren eigenständigen Charakter zeigt, gleichzeitig aber gut lesbar ist.

„Man muss in dieser Ausstellung auch die Welt drum herum zeigen und zum Leben erwecken. Dadurch wird sie nahbarer und transportiert das Lebensgefühl der Zeit des Glam“, sagt Hellen Kleine. Zumal viele Ausstellungsbesucher jüngerer Generation die Zeit selbst nicht miterlebt haben. Die umfassende Ausstellungsarchitektur ermöglicht nun denen, die altbekanntes wiederentdecken, eine Reise in die Vergangenheit mit allen Sinnen. Jene, die vollkommenes Neuland betreten, bekommen einen umfassenden Eindruck von jener faszinierende Zeit der 1970er-Jahre.