Mit der Eröffnung der Ausstellung „Unendlicher Spaß“ feiert die SCHIRN ihr Sommerfest. Live auf der Bühne steht Andreas Dorau, der seit Anfang der 80er-Jahre für eingängige Pop-Melodien und allerfeinsten Humor bekannt ist. Ein Interview

Andreas Dorau war gerade mal 16 und hatte neun Gitarrenlehrer verschlissen, als er 1981 mit einem Vierspur-Aufnahmegerät sein Lied „Fred vom Jupiter" bei einem Schulprojekt aufnahm. Damals ahnte er nicht, dass das Stück zum Riesen-Independent-Hit der Neuen Deutschen Welle werden würde. Heute ist er 50 und macht noch immer Musik -- neben seiner Arbeit als Videoclip Consultant für Stars wie die Söhne Mannheims und Xavier Naidoo. Zur Eröffnung der Ausstellung „Unendlicher Spaß" wird er live in der SCHIRN performen. Im Interview erzählt er, warum er lieber über Flaschenpfand als über die Liebe singt, was er in letzter Zeit in Bibliotheken getrieben hat und wie es sich anfühlt, als Teenager plötzlich berühmt zu sein.

SCHIRN MAG: Die Süddeutsche Zeitung hat Sie mal als „die moderne Alice im feindseligen Wunderland einer abgetakelten Moderne" bezeichnet. Fühlen Sie sich dadurch geschmeichelt?

Andreas Dorau: Nein, Alice im Wunderland mochte ich noch nie. Ich weiß, dass das Buch von manchen Leuten als das große Werk bezeichnet wird, aber ich kann damit überhaupt nichts anfangen.S.M: Muss Popmusik Spaß machen? Und ist Ihre Musik Spaßmusik?A.D.: Nein.

S.M: Anfang des Jahres sind zwei neue Alben von Ihnen erschienen: „Aus der Bibliothèque" und die Best Of-Platte „Hauptsache Ich". Die Melodien von „Aus der Bibliothèque" haben Sie sich quasi aus der Stadtbücherei am Hühnerposten in Hamburg „ausgeliehen". Erzählen Sie doch mal, wie das Album entstanden ist!

A.D.: Erst mal: Ich habe mir keine Melodien, sondern Akkord-Schemen ausgeliehen. Das ist ein Riesenunterschied. Zuerst war da diese Best Of- und Raritäten-Platte „Hauptsache Ich". Unter den Raritäten entdeckte ich drei Stücke, die gar nicht veröffentlicht oder unter so obskuren Umständen veröffentlicht waren, dass sie niemand kennen konnte. Diese drei Stücke hatten eine Gemeinsamkeit, nämlich dass sie alle gitarrenlastig waren. Ich fand die Stücke sehr schön, und ich fand, dass sie sehr gut zueinander passten. Daraufhin hatte ich die Idee, neben dem Best Of auch ein neues Album zu machen. Bei meinem Label Bureau B arbeitet ein Freund von mir, Carsten Friedrichs. Er ist der Sänger der Band „Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen". Er sagte, dass er Lust hätte, auf meinem neuen Album Gitarre zu spielen. So war relativ schnell eine Besetzung für das Album gefunden und es war klar, wie es klingen sollte. Es sollte ein gitarrenlastiges Album sein, ohne dass es gleich in Rock ausartet. Da ich das Album in kurzer Zeit über die Bühne bringen wollte, dachte ich mir, dass ich mir den langwierigen Prozess des Akkordefindens spare. Ich bin also in die Bücherhalle gegangen und habe mir dort diverse CDs von allen möglichen Künstlern ausgeliehen. Die Voraussetzungen waren: Ich kenne diese Leute und deren Stücke nicht und ich rühre deren Melodien nicht an. Ich habe mir Sachen mit Zweier- oder Vierer-Akkord-Schemen herausgesucht. Die habe ich dann geloopt und angefangen, daraus meine Stücke zu basteln. Die Loops habe ich nie benutzt, sie waren nur so etwas wie Skizzen.

S.M: Wie viel Zeit haben Sie in der Bibliothek verbracht? A.D.: Ich habe so eineinhalb Monate lang CDs gehört. S.M: Und wie viele CDs haben Sie ausgeliehen?A.D.: Bestimmt 250 Stück.S.M: Sind Sie jeden Tag in die Bücherei gegangen?A.D.: Jeden zweiten oder dritten Tag. Das Musikhören war sehr tagesformabhängig. Es gab Tage, an denen ich gleich auf der zweiten CD etwas fand, was mich motiviert hat. Dann hört man länger wohlwollend hin. Aber wenn man sechs CDs durchgehört hat und die Musik, die man da entdeckt, einen eigentlich nur quält und ärgert, geht die Laune ganz schnell in den Keller und damit auch die Bereitwilligkeit etwas Positives zu entdecken. Es gab gute und schlechte Tage.

S.M: Herausgekommen sind Lieder wie „Flaschenpfand" und „Bienen am Fenster". Sie singen immer über kleine Themen. Warum nicht über große Themen wie z.B. die Liebe?

A.D.: Weil die großen Themen langweilig und schon 3000 Mal besungen worden sind.S.M: Ihre Stücke besitzen so gut wie immer Ohrwurmqualitäten. Hat man einmal „Fli-Fli-Fla-Fla-Flaschenpfand" gehört, bekommt man es nicht mehr aus dem Kopf. Was mögen Sie an Ohrwürmern?A.D.: In erster Linie bin ich Musikkonsument. Ich höre gerne Radio, und ich höre gerne Refrains. Eingängiger Musik wird gerne unterstellt, sie sei dümmlich. Das versuche ich zu widerlegen.

S.M: Ihr Megahit „Fred vom Jupiter", der Sie 1981 berühmt gemacht hat, ist auch ziemlich eingängig. Zu dem Lied haben Sie eine Beziehung wie Romy Schneider zu „Sissi". Es heißt, man spricht Sie lieber nicht darauf an. Warum ist das so?A.D.: Es hängt immer davon ab, wie ich darauf angesprochen werde. Mir ist klar, dass das erste Werk, mit dem man eine Aufmerksamkeit erregt hat, einen immer verfolgt. Damit stehe ich nicht allein da. Es geht aber nicht nur um das Stück „Fred vom Jupiter". Was mich daran stört, sind die zeitlichen Bedingungen, unter denen es erschienen ist. Nämlich dieses blöde NDW-Trauma. Wenn ich darauf angesprochen werde, muss ich mich oft über eine komische 80er-Jahre-Zeit unterhalten und nicht über das Lied. Da kommt es schnell zu Missverständnissen.S.M: Zu welchen Missverständnissen?

A.D.: Es gab von 1979 bis 1981 eine Underground-Neue Deutsche Welle, die es sich auf die Fahne geschrieben hatte, eine andere Musik zu schaffen -- sowohl textlich, als auch musikalisch. Und dann gab es den NDW-Ausverkauf mit Markus, Hubert Kah und wie sie alle hießen. Beide Musiken hatten das gleiche Etikett, es waren aber zwei ganz verschiedene Sachen. Diese Verwechslung verfolgt mich seit Jahren und treibt mich auf die Palme.

S.M: Wie war es für Sie, als Sie mit 16 auf einmal über Nacht bekannt wurden?A.D.: Das Gute war, ich war bei einem Independent-Label unter Vertrag. Mich hat keiner durch große Medienmaschine gejagt. Ich konnte immer selbst entscheiden, welche Interviews ich geben wollte und welche nicht. Deshalb habe ich es seelisch ganz gut überstanden. Mit 16 ist man ja auf der Höchststufe seiner Pubertät. Der Ruhm fühlte sich damals ein bisschen komisch an. Ich kann nicht behaupten, dass ich zu dem Zeitpunkt ein besonders glücklicher Mensch gewesen bin.S.M: Beim SCHIRN-Sommerfest, bei dem die Ausstellung „Unendlicher Spaß" eröffnet wird, geben Sie ein Live-Konzert. Was werden Sie spielen?A.D.: Höchstwahrscheinlich ein gemischtes Programm aus alten und neuen Stücken.

S.M: Und „Fred vom Jupiter"?

Ganz bestimmt nicht.

S.M: Die Ausstellung „Unendlicher Spaß" ist nach dem gleichnamigen Roman von David Foster Wallace benannt. Haben Sie das Buch gelesen?

A.D.: Ja. Und ich finde es sehr gut. Ich kenne auch seine Kurzgeschichten, die gefallen mir sogar noch besser. Nur an David Foster Wallaces letztes Buch „Der bleiche König" habe ich mich noch nicht herangetraut. Aber ich besitze es bereits.